Achim Lengerer

ZOOOOM I+II

ZOOOOM war geplant als eine zweiteilige Buchpublikation in „erzählender Skriptform“, in der ein schon bestehendes Film-Skript weiterverarbeitet bzw. in es hineingearbeitet werden sollte: François Truffauts und Jean Gruaults L’Enfant sauvage aus dem Jahre 1969. Der Film basiert auf der Lebensgeschichte des Wolfsjungen Victor von Aveyron, wie sie von dem Taubstummenarzt Jean Itard aufgezeichnet wurde. Um 1800 wurde Victor von Aveyron als circa Zehnjähriger in den Wäldern Südfrankreichs aufgegriffen und gelangte nach einigen Umwegen in das Nationale Taubstummeninstitut in Paris. Dort und später in seinem eigenen Landhaus versuchte Itard, dem Kind Schreiben, Lesen und vor allem Sprechen beizubringen. Dieser letztlich gescheiterte Versuch und seine pädagogische Herangehensweise sind Thema von Itards Aufzeichnungen. François Truffaut, der sich eng an diese hielt, übernahm in seiner Verfilmung zum ersten Mal eine Rolle als Darsteller – die des Jean Itard. Für die Besetzung des Victor arbeitete Truffaut nach einem langwierigen Casting mit einem Roma-Jungen zusammen, Jean-Pierre Cargol, der selbst ohne Schauspielerfahrung war. Truffaut verdoppelte auf diese Weise beim Drehen des Films die Motivkette: Lehren, Lernen, Lehrer, Lernender im Selbst-Lernversuch vor der Kamera.

Während des Arbeitsaufenthalts im Künstlerhaus Büchsenhausen arbeitete Achim Lengerer an der Herstellung von ZOOOOM I+II. Einzelne Schritte des Arbeitsprozesses wurden in öffentlichen Veranstaltungen nach außen verlagert. Das „Werkzeug“ hierzu war Lengerers Instant-Publishing-Reihe Scriptings. Bereits rein sprachlich hybrid zwischen „Script“ und „Writings“ angelegt, diente dieses Format sowohl als Container für Materialien als auch als Modul im Herstellungsprozess: Abschrift, Transkript, Notiz, Logbuch.

Im Sommersemester 2011 präsentierte Achim Lengerer inhaltliche Schwerpunkte seiner Arbeit und Arbeitsweise im Seminar Film- und Kulturtheorien in künstlerischer Praxis der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft, Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, das unter der Leitung von Dunja Brötz stattfand.

Achim LENGERER lebt als Künstler in Berlin und Amsterdam. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit sprachbezogenen Fragestellungen, die er in Performances oder Rauminstallationen thematisiert. Er initierte mehrere kollaborative Projekte, unter anderem die freitagsküche in Frankfurt und Berlin oder voiceoverhead, eine Zusammenarbeit mit dem Künstler Dani Gal. Seit 2009 betreibt Lengerer den mobilen Ausstellungsraum und Verlag Scriptings. Scriptings funktioniert als diskursive Plattform, ergänzend und parallel zu Lengerers Projekten. KünstlerInnen, AutorInnen, GrafikdesignerInnen, PerformerInnen ebenso wie VerlegerInnen werden zur Teilnahme eingeladen – all jene also, die sich in ihrem jeweiligen Produktionsprozess der Formate „Skript“ und „Text“ bedienen.
www.scriptings.net