Riccardo Giacconi

Riccardo Giacconi, Due, still from 16mm film, 2017.

Vizio di forma (Formfehler)

Im Rahmen seines Fellowships wird Riccardo Giacconi an einem langfristig angelegten Recherchevorhaben über das Verhältnis zwischen Städteplanung und Medienmacht arbeiten. Als Fallbeispiel konzentriert er sich auf ein urbanistisches Projekt der 1970er Jahre in Italien, auf die Wohnanlage Milano 2, mit der sich der Künstler bereits 2017 in seinem Film Due auseinandergesetzt hat.

Milano 2 ist ein Wohnanlagenkomplex, der an der Peripherie Mailands zwischen 1970 und 1979 auf Betreiben des italienischen Medien-Tycoons und ehemaligen Premierministers Silvio Berlusconi entstand. Milano 2 sollte die Utopie einer “anderen” Welt abseits der bestehenden Stadt verwirklichen, zugunsten einer aufstrebenden, neuen Mittelklasse, die vor den damaligen politischen Turbulenzen im Land flüchten wollte – quasi eine sichere und ruhige Festung für die Reichen, mit allem Komfort, den eine Absonderung von der Öffentlichkeit bieten konnte.
Charakteristische Merkmale des Wohnkomplexes sind die Sportanlagen, der Kinderspielplatz und ein kleiner künstlicher See. Das einzige vorhandene Restaurant schließt um 22:30 Uhr; im Ort gibt es keine Theater, Kinos, Museen, Bars oder Nachtklubs. Mailand scheint dadurch, obwohl nahe gelegen, sehr weit entfernt zu sein, vor allem nachts.

Milano 2 war auch das Hauptquartier des ersten privaten TV-Kanals von Italien, TeleMilano, eines kleinen Kabel-TV-Anbieters, der seine lokale Sendetätigkeit 1974 aufnahm. Später wuchs der Sender zu Canale 5, dem ersten landesweit agierenden, privaten Fernsehsender, der schließlich als Brückenkopf zur weiteren Expansion des Medien- (und späteren Politik-)Imperiums von Silvio Berlusconi fungieren sollte. Milano 2 wurde hiermit zu einem großen experimentellen Laboratorium, von dem aus die “neue Lebensweise”, für die das urbanistische Projekt stand, mithilfe des Fernsehens landesweit promotet wurde – wodurch sich die Kultur des “Berlusconismus” in den darauffolgenden Jahrzehnten nachhaltig etablieren konnte.

In Riccardo Giacconis Arbeit während seines Fellowships in Büchsenhausen stellen diese Tatsachen und Umstände die Basis für die Entwicklung eines Films und einer Publikation dar, deren Konzipierung die Idee zu Grunde liegt, eine Detektiv-Story mit einer Studie über eine spezifische Architektur zu verbinden.

Textvorlage: Riccardo Giacconi

Riccardo GIACCONI studierte Kunst an der Universität von Venedig. Seine Arbeit wurde unter anderem in ar/ge kunst Bozen, MAC Belfast, WUK Kunsthalle Exnergasse in Wien, FRAC Champagne-Ardenne in Reims, tranzitdisplay Prag, MAXXI in Rom, Fondazione Sandretto Re Rebaudengo (Turin) und an der 6. Moscow International Biennale for Young Art gezeigt. Er war artist-in-residence am Centre international d’art et du paysage in Vassivière (F), lugar a dudas in Cali (COL), am MACRO Museum of Contemporary Art in Rom (IT) und in La Box, Bourges (F). Seine Filme wurden unter anderem beim New York Film Festival, dem Venice International Film Festival, dem International Film Festival Rotterdam sowie bei Visions du Réel und FID Marseille, wo er im internationalen Wettbewerb den Großen Preis gewann (2015), präsentiert. Er ist Mitbegründer des Kollektivs Blauer Hase, mit dem er die Zeitschrift Paesaggio herausgibt und das Helicotrema Festival kuratiert.