1. April 1952 – eine kommentierte Filmschau

"1. April 1952 – eine kommentierte Filmschau" Jochen Becker, Künstlerhaus Büchsenhausen

Im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung Liberation//Libération im Künstlerhaus Büchsenhausen hielt Jochen BECKER eine kommentierte Filmschau ab, in deren Mittelpunkt der Film 1. April 2000 von Wolfgang Liebeneiner stand.

„Dieser Film entstand mit großzügigster Unterstützung der staatlichen und kirchlichen Behörden sowie unter breitester Anteilnahme des Volkes von Österreich“, heißt es im Vorspann des prestigeträchtigen und prominent besetzten Österreich-Films. Der 1952 und somit noch unter alliierter Kontrolle fertiggestellte Spielfilm in der Regie von Wolfgang Liebeneiner imaginiert das Ende der alliierten Besatzung – allerdings auf eine ferne Zukunft hin. Drei Jahre später, am 15. Mai 1955, wurde der Besatzungsstatus mit Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags für beendet erklärt.

Im Film geschieht dies allerdings anders: Das Land wird vor dem internationalen Gerichtshof der Weltschutzorganisation angeklagt. Österreich soll aufgelöst, die Bevölkerung in die Sahara umgesiedelt und das Territorium zum Naturschutzgebiet mit touristischer Museumslandschaft umgewidmet werden. Die Anspielungen auf UNO und Nürnberger Prozesse, aber auch Vorstufen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag oder der afrikanischen Wahrheitskommissionen lassen hier neue Formen von global ausgerichteter Politik erahnen. Die ÖsterreicherInnen wollen beweisen, dass sie ein liebenswürdiges Volk sind. Zur Verteidigung ruft der Ministerpräsident per Knopfdruck altes Filmmaterial ab, aus dessen retuschierter Historie der Faschismus vollkommen gelöscht ist. Der Staatschef aktiviert zusätzlich BurgschauspielerInnen als DarstellerInnen geschichtsträchtiger ÖsterreicherInnen wie Prinz Eugen, Maria Theresia oder Sisi. Mit großer Statisterie und Requisiten aus den Museumsbeständen lässt man die Historie als Re-Enactment abspielen. Österreich präsentiert sich als harmlose Kulturnation. In den eurozentrischen Verteidigungsclips und -szenen fehlt die Perspektive der wirklichen Opfer. Das kulturliebende Land selbst erscheint hier als eigentliches Opfer und hat zudem „Europa“ vor der türkischen Invasion gerettet.

Der Regisseur des Films, Wolfgang Liebeneiner, war nur wenige Jahre zuvor wichtiger Filmfunktionär des Dritten Reichs. Goebbels bezeichnete ihn in seinen Tagebuchnotizen als „jung, modern, strebsam und fanatisch“. 1941 führte er in enger Zusammenarbeit mit dem NS-Propagandaministerium Regie des Films Ich klage an, der als „Euthanasiefilm“ gilt, welcher die Patientenmorde der Aktion T4 rechtfertigen sollte.
Jochen Becker

Jochen BECKER arbeitet als Autor, Dozent und Kurator in Berlin. Er ist Gründungsmitglied von metro-Zones – Center for Urban Affairs, (Mit-)Herausgeber von verschiedenen Publikationen, unter anderem bignes? (2001), Kabul/Teheran 1979ff (2006) und Urban Prayers (2011) und (Ko-)Kurator verschiedener Ausstellungen, wie zum Beispiel The Urban Cultures of Global Prayers, nGbK Berlin, Camera Austria, Graz (2012/13), und Self Made Urbanism Rome, nGbK Berlin, Teatro Valle Occupato Rome (2013). Er ist künstlerischer Leiter des Projekts Global Prayers im Haus der Kulturen der Welt (Berlin) und seit 2014 Direktor des Art & Architecture Programmes am Royal Institute of Art in Stockholm.

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Veranstaltungsort

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