Der 100-Euro-Laptop
Im Gespräch zwischen Jochen BECKER und dem Innsbrucker Künstler und Open-Source-Experten Michael HACKL (Plankton Labs) wurde die Besonderheit der neuen Benutzeroberfläche des „100-Dollar-Laptops“ demonstriert und untersucht.
Becker schreibt zum „100-Euro-Laptop“ (zum Zeitpunkt der Veranstaltung war es bereits bekannt, dass der Laptop teurer sein würde): „Das weltweite Netz hat gerade im Globalen Süden größere Löcher als in Europa und den USA. Inzwischen werden in den um Open Source und Creative Commons organisierten Copyleft-Bewegungen die vorrangig eurozentrisch ausgerichteten Fragestellungen über den Zugang zu freien Daten selbstkritisch reflektiert.
Zugang zu Wissen und Kultur, welche mehr und mehr digitale Form annehmen, erscheint existenziell. Nun ist 2007 davon die Rede, dass Millionen von so genannten ‚100-Dollar-Laptops‘ mit Open-Source-Software kurz vor der Auslieferung stehen, um Kindern und Jugendlichen auch im Globalen Süden kostenlosen Zugang zum weltweiten Netz zu ermöglichen. Das Projekt aus dem Umfeld der Forschungsschmiede MIT sollte Teilhabe an der globalisierten Welt ermöglichen. Besonders nördlich des digitalen Grabens wurden Stimmen laut, die die Versorgung mit Nahrung oder Trinkwasser für wichtiger erachten. Ganz davon abgesehen, dass es nicht um die Alternative Laptop oder Wasser geht, sondern allenfalls um Computer plus die Option, damit neue Quellen sich zu erschließen, schwang hierbei der überhebliche Unterton mit, was denn Menschen in den Slums von Libyen bis Brasilien mit einem Computer anfangen sollten. Bei Feldversuchen hatte sich allerdings gezeigt, dass die Nachwuchs-UserInnen das per Kurbel mit Strom zu versorgende Gerät auch entgegen der Gebrauchsanweisung zu nutzen wussten und dank Bildschirm Licht in ihre stromlose Hütte brachten. Noch nicht abzusehen ist, wann Millionen per Funk miteinander verbundene Kids ihre Weltsicht verbreiten – oder als outgesourcte Billiglöhner für Konzerne Daten tippen.“
Jochen BECKER arbeitet als Autor, Dozent und Kurator in Berlin. Er ist Gründungsmitglied von metro-Zones – Center for Urban Affairs, (Mit-)Herausgeber von verschiedenen Publikationen, unter anderem bignes? (2001), Kabul/Teheran 1979ff (2006) und Urban Prayers (2011) und (Ko-)Kurator verschiedener Ausstellungen, wie zum Beispiel The Urban Cultures of Global Prayers, nGbK Berlin, Camera Austria, Graz (2012/13), und Self Made Urbanism Rome, nGbK Berlin, Teatro Valle Occupato Rome (2013). Er ist künstlerischer Leiter des Projekts Global Prayers im Haus der Kulturen der Welt (Berlin) und seit 2014 Direktor des Art & Architecture Programmes am Royal Institute of Art in Stockholm.
www.metroZones.info
www.globalPrayers.info
www.LearningFrom.com
www.SMUR.eu
Michael HACKL ist Mitbegründer von Plankton Labs (2002–11), einer heterogenen Gruppe von EnthusiastInnen unterschiedlicher Ausbildungen und Arbeitsgebiete, deren Arbeiten und Projekte kritisch-ironische Hinterfragungen heutiger Medienrealität sind.
Veranstaltungsort
Künstler:innenhaus Büchsenhausen