Künstler-Residenzen

Ein Modell für eine Postgraduate-Akademie in Innsbruck?

Die Idee zum Symposium und der Arbeitskonferenz für politische Entscheidungsträger:innen Künstler-Residenzen – Ein Modell für eine Postgraduate-Akademie in Innsbruck? entstand einerseits aus der damaligen Notwendigkeit einer Verortung und Reflexion der eigenen, noch jungen institutionellen Praxis am Künstlerhaus Büchsenhausen in einem erweiterten, internationalen Kontext. Andererseits wurde mit dieser Veranstaltung beabsichtigt, sich in die damals auch in der Öffentlichkeit intensiv geführte Debatte über das Profil einer neu einzurichtenden Kunstfakultät in Innsbruck einzumischen.

Das Symposium lotete die Perspektiven und Möglichkeiten einer Postgraduate-Akademie auf den Grundlagen des Modells eines Artist-in-Residence-Programms und kuratierten Produktionslabors, wie es im Künstlerhaus Büchsenhausen praktiziert wurde, aus. Leiter:innen von international tätigen Einrichtungen, die ebenfalls Künstler:innenmobilität förderten – der Jan van Eyck Academie in Maastricht (NL), der Rijksakademie in Amsterdam (NL), des Künstlerhauses Schloss Plüschow (D), stellten ihre eigenen Institutionen und Programme vor und erörterten anschließend Vor- und Nachteile eines solchen Modells für Innsbruck.

Ein Tag nach dem Symposium fand im Künstlerhaus Büchsenhausen die Arbeitskonferenz für politische Entscheidungsträger:innen statt. Im Rahmen des Symposiums formulierte Ideen wurden hier noch einmal präzisiert und gemeinsam mit vor Ort tätigen Politiker:innen, Beamt:innen, Kurator:innen, Kulturvermittler:innen und Vertreter:innen der Universität Innsbruck diskutiert. Im Zuge der Debatte kamen die Fachleute zu einem Konsens darüber, dass eine Einrichtung mit einem ähnlichen Profil wie die Jan van Eyck Academie (ein postakademisches Institut für Forschung und Produktion in den Bereichen bildende Kunst, Design und Theorie), allerdings nur auf Kunst und Theorie fokussiert, in Verbindung mit Künstler:innen-Residenzen in Innsbruck sinnvoll wäre. Eine solche Einrichtung richtete sich primär an Künstler:innen und Theoretiker:innen, die bereits ein Kunststudium absolviert hätten und/oder auf eine Praxis von mindestens fünf Jahren verweisen könnten. Eine derartige Akademie hätte keinen Lehrplan und vergäbe auch keine Zertifikate oder Diplome. Die Teilnehmer:innen hätten die Möglichkeit, ausgestattet mit einem Stipendium und daher finanziell relativ unbekümmert in Interaktion mit Berater:innen (international etablierten Künstler:innen, Kurator:innen und Theoretiker:innen) über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren an vorgeschlagenen Projekten und Vorhaben zu arbeiten. Die Postgraduate-Akademie sollte für alle, d. h. sowohl für heimische Künstler:innen und Theoretiker:innen als auch für Bewerber:innen aus dem Ausland zugänglich sein. Da es eine solche postgraduale Einrichtung in Österreich bis dato nicht gibt, wäre es damit für die Standorte Tirol bzw. Innsbruck zweifellos möglich, sowohl innerhalb Österreichs als auch international innerhalb kurzer Zeit in diesem Bereich ein eigenständiges Profil zu erlangen. Ähnlich der Jan van Eyck Academie in Maastricht sollte die Postgraduate-Akademie in Innsbruck als Kulturinstitution und nicht als Ausbildungsstätte strukturiert sein. Diese Organisationsform würde eine gewisse Unabhängigkeit der Inhalte garantieren und einen weitgehend offenen Handlungs- und Diskussionsrahmen ermöglichen, der allein durch die Arbeiten und Projekte der Teilnehmer:innen gestaltet und reguliert werden würde.

Als praktische Fortführung der formulierten Überlegungen realisierten Andrei Siclodi und Ingeborg Erhart anderthalb Jahre später in Zusammenarbeit mit der Jan van Eyck Academie die Ausstellungs- und Diskussionsreihe Private Investigations. Forschung, Wissensaneignung und -verarbeitung in zeitgenössischen Kunstpraktiken (2005–07). Die Ausstellungen und Präsentationen in den drei Räumlichkeiten der Tiroler Künstler:innenschaft (Kunstpavillon, Künstlerhaus Büchsenhausen, Stadtturmgalerie) vermittelten einen Gesamteindruck dessen, was eine Postgraduate-Akademie in Innsbruck leisten könnte.

→ siehe auch die Ausstellungs- und Diskussionsreihe Private Investigations. Forschung, Wissensaneignung und -verarbeitung in zeitgenössischen Kunstpraktiken

Nachdem sich die Pläne einer Kunstfakultät in Innsbruck ein paar Jahre später endgültig zerschlugen, entwickelte Andrei Siclodi im Auftrag des Vorstands der Tiroler Künstler:innenschaft das Konzept einer Postgradualen Schule für Kunst und Theorie in Innsbruck, die im Kern den Ausbau des Internationalen Fellowship-Programms für Kunst und Theorie im Künstlerhaus Büchsenhausen in Richtung Postgraduate-Akademie vorsah. Diese Pläne wurden nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2009 vorerst auf Eis gelegt.

 

Programm Symposium:
Interfaces für die Kunst – Produktion und Wissenstransfer im Künstlerhaus Büchsenhausen
Andrei Siclodi, Künstlerhaus Büchsenhausen, Innsbruck
Modell Künstlerhaus – über die Notwendigkeit der Konstruktionen ins Offene
Miro Zahra, Künstlerhaus Schloss Plüschow, Plüschow
Post-academic Institute? Research and Production? Fine Art, Design and Theory?
Koen Brams, Jan van Eyck Academie, Maastricht
Rijksakademie van beeldende kunsten – More Than a Residency
Janwillem Schrofer, Rijksakademie van beeldende kunsten, Amsterdam

 

Vorträge und Referent:innen:

Andrei Siclodi
Interfaces für die Kunst – Produktion und Wissenstransfer im Künstlerhaus Büchsenhausen

Andrei Siclodi stellte das Künstlerhaus Büchsenhausen als Zentrum für künstlerische Produktion und Kommunikation mit internationaler Ausrichtung vor, das eine Schnittstelle zwischen regionalen Künstler:innen-Communities (unter anderem in den eigenen Förderateliers) und international tätigen Stipendiat:innen (im Rahmen des Residenzprogramms büchsenhausen.air und des Kurator:innen-Programms büchsenhausen.labor) bereitstellt.

Andrei Siclodi war damals Kurator des Artist-in-Residence-Programms büchsenhausen.air und Mitglied des Kurator:innen-Teams von büchsenhausen.labor.

 

Miro Zahra
Modell Künstlerhaus – Über die Notwendigkeit der Konstruktionen ins Offene

Für einen von Kunst und Künstler:innen auf unbestimmte Zeit bewohnten Raum ist das Wichtigste, die eigene künstlerische Freiheit und inhaltliche Unabhängigkeit zu schützen. Nur in seiner Offenheit, Durchlässigkeit und Transparenz und in seinem Mut zur Verwandlung hat das Modell Künstlerhaus eine Chance, sich auf längere Sicht als Open Space – als kreativer Ort für Kunst und Künstler:innen zu behaupten. Das Künstlerhaus sollte nicht nur als Produktionsstätte, sondern als Ort der Sammlung und der Kommunikation begriffen werden: ein Durchgangsraum, in dem das Hinaustreten aus der Zeit möglich sein kann; ein Raum, der unabhängig von der Zeit auch unbedingt als ein Denkraum zu begreifen ist. Es ist ein Versuch der Konstruktion ins Offene. (Text: Miro Zahra)

Miro Zahra, Künstlerin und Kuratorin, zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa und den USA (seit 1985), Leiterin des Mecklenburgischen Künstlerhauses Schloss Plüschow (1997–2002), aktives Mitglied von Res Artis, dem weltweiten Netzwerk für Residenz-Programme für Künstler:innen.
www.plueschow.de

Koen Brams
Post-academic Institute? Research and Production? Fine Art, Design and Theory?

„Postakademisch“: Koen Brams machte sich Gedanken über die Bedeutung dieses Begriffs und fragte sich, ob er damit arbeiten könnte. Wenn „post“ hier im Sinne von „nach [dem Akademischen]“ oder „über [das Akademische] hinaus“ verwendet würde, könnte und würde er das Konzept beibehalten. Und wenn „akademisch“ für ein bis ins letzte Detail standardisiertes Verfahren für den Umgang mit Forschungsfragen, für einschlägige Experimente, für die exakt festgelegte Präsentation von Forschungsergebnissen stünde, dann könnte die Jan van Eyck Academie eine Alternative bieten. Ein solcher alternativer Ansatz in Forschung und Produktion würde vor allem die Bereitschaft dazu beinhalten, den spezifischen Charakter der jeweiligen Disziplin (bildende Kunst, Design, Theorie) ebenso wie den spezifischen Charakter des jeweiligen Forschungsprojektes (und somit die individuellen Ziele der Designer:innen, Künstler:innen oder Theoretiker:innen) so weit wie möglich zu berücksichtigen.

Koen Brams, Psycholinguist, Direktor der Jan van Eyck Academie in Maastricht (2000–11), Chefredakteur der belgischen Kunstzeitschrift De Witte Raaf (1991–2000), Herausgeber von Erfundene Kunst. Eine Enzyklopädie fiktiver Künstler von 1605 bis heute (Eichborn Verlag, 2002).
www.janvaneyck.nl

Janwillem Schrofer
Rijksakademie van beeldende kunsten – More Than a Residency

An der Rijksakademie haben 60 Artists in Residence aus aller Welt die Möglichkeit, sich für einen bestimmten Zeitraum der Forschung, einem Projekt oder der Kunstproduktion zu widmen. Die Künstler:innen erhalten ein eigenes Studio und ein Stipendium und haben die Gelegenheit zum Austausch mit Gastkünstler:innen, Kunstkritiker:innen, Kurator:innen und anderen Berater:innen. Neben umfangreichen technischen Workshops und der Gelegenheit zum Gedankenaustausch stehen auch eine Bibliothek, ein Künstlerarchiv und Kunstsammlungen zur Verfügung. Die Schwerpunkte im Rahmen einer Residency liegen auf Kunstproduktion und Reflexion. Anstelle traditioneller Methoden oder vorherrschender stilistischer Ansätze oder Ideologien steht an der Rijksakademie kritische Hilfestellung in künstlerischen, technischen und theoretischen Belangen im Vordergrund. Die hier angebotene Verbindung einer Artist’s Residency mit den Möglichkeiten einer Forschungsstätte ist einzigartig und entspricht höchstem internationalem Niveau. (Text: Janwillem Schrofer)

Janwillem Schrofer, Organisationssoziologe, 1982–2010 Präsident der Rijksakademie van beeldende kunsten, Amsterdam, Berater zahlreicher Künstler:innen, Künstler:innenplattformen (rain network), Kunstinstitutionen und Kulturprogramme im In- und Ausland.
www.rjiksakademie.nl

Veranstaltungsort

Künstler:innenhaus Büchsenhausen
Weiherburggasse 13
A-6020 Innsbruck

+43 512 27 86 27
office@buchsenhausen.at