Olga ȘTEFAN und Andrea BELLU: Așa se scrie istoria…!? / So This Is How History Is Written……!?

Präsentation und Gespräch über Formen der Geschichtsschreibung in Rumänien und darüber hinaus. Im Rahmen der Ausstellung "Sammlung einiger Versuche zur Beschreibung der Wirklichkeit" von Andrea Bellu

Foto: Matei Bellu, 2015.

Es heißt, Rumänien sei ein antisemitisches Land ohne Juden. Seit 1989 gibt es die beunruhigende Tendenz, ehemalige Legionari (Anhänger der rumänischen antisemitischen Partei während des Zweiten Weltkrieges) als antikommunistische Helden darzustellen, während der Antisemitismus im Land anwächst, obwohl es derzeit keine nennenswerte jüdische Bevölkerung gibt. Rumänien war einst die Heimat von über 750.000 Juden (rund 4,2% der Gesamtbevölkerung des Landes vor dem Krieg), die faschistische Ausrottungspolitik und die Nationalisierungs- und „Rumänisierungs“politiken der dortigen kommunistischen Partei hatten jedoch das Verschwinden und die Ausreise von fast allen Juden bis auf 11.000 zur Folge.
Trotzdem erkennt der vorherrschende Diskurs über die Geschichte Rumäniens diese unangenehmen Tatsachen bis heute nicht an.

Durch persönliche Narrative und mündlich weitergegebene Geschichten dient jene Generation, die diese Ereignisse miterlebte, nicht nur als Zeugin, um die Lücken im gegenwärtigen Diskurs zu korrigieren, sondern ermöglicht auf diese Weise auch, leichter Beziehungen mit der heutigen Generation aufzubauen, die andernfalls von der Vergangenheit des eigenen Landes abgeschnitten bliebe.

In Büchsenhausen wird die Kuratorin und Kritikerin Olga Ştefan über ihren kuratorischen Ansatz zur Entwicklung der Ausstellung zeitgenössischer Kunst Fragments of a Life sprechen, die den Pogrom von 1941 in Iaşi, Rumänien thematisiert und ebendort 2016 gezeigt wird. Die Ausstellung beschäftigt sich mit solchen traumatischen geschichtlichen Ereignissen, der Rolle von Erinnerung und Geschichtserzählung beim Aufbau und der Dekonstruktion historischer Tatsachen, mit der Figur des/der Erzähler_in mündlich überlieferter Geschichten, deren möglichen Zu- oder Unzuverlässigkeit und den Herausforderungen an die Überlebenden im Zuge der erneuten Erzählung traumatischer Ereignisse.

Andrea Bellus Ausstellung Sammlung einiger Versuche zur Beschreibung der Wirklichkeit spürt ähnlichen Fragestellungen nach; ein Gespräch mit der Künstlerin über ihre Arbeit und Praxis folgt im Anschluss an die Präsentation von Olga Ştefan.

Eine Veranstaltung in der Reihe Schlechte Wörter von Andrea Bellu.

Andrea Bellu entwickelt ihre künstlerischen Arbeiten installativ; sie schreibt, zeichnet, fotografiert und filmt. Bellu arbeitet oft mit anderen Künstler:innen und Wissenschaftler:innen zusammen. Ausgehend von post-kolonialen, migrantischen und feministischen Perspektiven versucht sie vorherrschenden Narrationen der Geschichte weitere Risse und Brüche hinzuzufügen.

Olga Ştefan wurde in Rumänien geboren, wuchs in Chicago auf, begründete dort ihre berufliche Karriere und lebt seit 2009 in Zürich. Zu ihrer kuratorischen Arbeit gehören neben vielen anderen Ausstellungen Laughter and Forgetting in Bukarest; Few Were Happy with Their Condition in der Kunsthalle Winterthur, in der Motorenhalle, Dresden, und in der Gallery 400, Chicago; Blurred Lines and Showtime in der Galerie ABContemporary, Zürich; sowie Drawing Protest in der Shedhalle Zürich. Sie hat außerdem Einzelausstellungen mit Künstler:innen wie Dan Perjovschi, Lia Perjovschi, Stefan Constantinescu und Keren Cytter entwickelt. Derzeit arbeitet sie an dem Ausstellungsprojekt Fragment of a Life in Iaşi, Rumänien. Olga Ştefan schreibt regelmäßig Beiträge für die Magazine ArtReview, Flash Art, Sculpture Magazine, Art in America, ArtSlant und andere.

Veranstaltungsort

Künstler:innenhaus Büchsenhausen
Weiherburggasse 13
A-6020 Innsbruck

+43 512 27 86 27
office@buchsenhausen.at