Seeing Through the Affects of Violence. Part 2
Alfredo CRAMEROTTI (Kurator), Natalia GUMENYUK (Journalistin), Mykola RIDNYI (Fellow)
Die hybride Veranstaltung (Künstlerhaus Büchsenhausen | Online) findet in englischer Sprache statt.
Mittels Fotografie, Film, Installation und Text bedient sich Mykola RIDNYI in seiner künstlerischen Praxis historischer Forschungsmethoden und investigativer Verfahren in der Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Ereignissen. Der Künstler tritt der (vorherrschenden) sensationsgierigen Visualisierung und Ästhetisierung von Brutalität mit einem distanziert kritischen Ansatz entgegen, indem er die Darstellung von Gewalt ohne deren Reproduktion thematisiert. In der Post-Truth-Ära bedürfen Fakten einer ständigen Überprüfung, die traditionelle Form der Informationsaufbereitung muss aber ebenso hinterfragt werden. Gibt es im kritischen Journalismus und in der sozial engagierten Kunst überhaupt noch Raum für Vertrauen? In der zweiten Diskussionsveranstaltung im Rahmen seiner Fellowship im Künstlerhaus Büchsenhausen spricht Mykola RIDNYI mit der ukrainischen Journalistin, Autorin und Gründerin des Public Interest Journalism Lab Natalia GUMENYUK, und dem Autor, Kurator und Direktor des MOSTYN Contemporary Art Centre in Wales Alfredo CRAMEROTTI über Widersprüche und Gemeinsamkeiten in den visuellen Ansätzen von Künstler:innen und Journalist:innen.
Die Ausstrahlung von Gewaltbildern war schon immer Kern des Nachrichtengeschäfts – des Modus Operandi der Medien. Doch seit der Erfindung des Kabelfernsehens und der Rund-um-die-Uhr-Fernsehnachrichten in den 1990er Jahren sowie dem späteren Aufkommen der sozialen Medien und von Live-Streaming wird das globale Publikum ständig einer Vielzahl von Gewaltbildern sowohl nationaler als auch internationaler Konflikte ausgesetzt. Die Kommerzialisierung der Nachrichten zwingt Journalisten dazu, Beiträge so zu schneiden, dass sie Actionfilmen gleichen. Die Normalität der menschlichen Existenz wird dabei herausgeschnitten, um das Publikum durch besser verkaufbare Bilder bei der Stange zu halten. In ihrem Vortrag geht Natalia GUMENYUK auf folgende damit verbundenen Fragen ein: Ist es überhaupt möglich, eine “rückeditierte“ Welt zu zeigen und dadurch Gewalt in die Schranken zu weisen? Sind wir dazu bereit, die Ästhetik von gewaltsamen und emotionalen Bildern zugunsten einer ursprünglichen „Rohversion“ der Realität zu opfern, auf die Gefahr hin, dass diese als langweilig erscheint?
In seinem Buch Aesthetic Journalism beschäftigt sich Alfredo CRAMEROTTI mit verschiedenen Interaktionsverfahren zwischen Ästhetik und Information, wie etwa dem Bezeugen, Interagieren, Entführen und Enthüllen. Cramerotti behauptet, dass „ästhetischer Journalismus durch das Kombinieren von Dokumenten und Vorstellungskraft entsteht, und zwar aufgrund der Erforderlichkeit des Ersteren und dem Verlangen des Letzteren. Denn dieses Verlangen wirkt geradezu als Gegenmittel gegen die oft sinnlose Akkumulation von Information“. In seinem Vortrag geht Cramerotti der Frage nach, welche Wege Künstler:innen beschreiten können, um einerseits Journalismus in die Kunst zu „importieren“ und andererseits der vorherrschenden Informationsindustrie einen künstlerischen Ansatz wieder einzuverleiben. Der Vortrag wird über den Begriff der öffentlichen Meinung reflektieren. Kann dieser eine Aggregatsfunktion erfüllen und ist er offen genug gegenüber einem produktiven kritischen Denken?
BITTE BEACHTEN SIE: Dies ist eine Hybrid-Veranstaltung. Es können bis zu 17 Personen physisch an der Veranstaltung im Künstlerhaus Büchsenhausen teilnehmen. Eine Teilnahme an der Veranstaltung vor Ort ist nur nach den aktuellen gesetzlichen COVID-19 Regelungen möglich. Darüber hinaus wird die Veranstaltung im LIVE-Streaming übertragen. Wenn Sie direkt an der Diskussion teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte über Eventbrite an. Sie erhalten dann automatisch den Zoom-Link. Ansonsten können Sie die Veranstaltung auf Facebook verfolgen.
Aktuelle Informationen zu im Künstlerhaus Büchsenhausen im Rahmen der Ausstellung Transgressions of the Real stattfindenden Veranstaltungen finden Sie auf unserer Website.
Participants:
Mykola RIDNYI ist Künstler, Filmemacher und Essayist und lebt in Kiew, Ukraine. Seine Arbeit ist medienübergreifend und reicht von frühen politischen Aktionen im öffentlichen Raum bis hin zur Verschmelzung von ortsspezifischen Installationen, Fotografie und Bewegtbildern. In seinen jüngsten Filmen experimentiert er mit nichtlinearen Montage- und Collagetechniken an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiktion. Die Verbindung mit alternativen Zeiten und Phänomenen, der Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart und Zukunft sowie die drängende Polemik der Manipulation des historischen Gedächtnisses, die sich aus zeitgenössischen politischen Agenden ableiten lässt, gehören zu den Hauptthemen, die sich in seinen Engagements, Initiativen und Projekten zeigen.
Ridnyi war Gründungsmitglied der Gruppe SOSka – ein Kunstkollektiv, das seinen Ursprung in Charkiw, Ukraine, hat. Er ist mitwirkender Herausgeber von Prostory, einem Online-Magazin über Kunst und Gesellschaft. Seine Werke wurden u.a. auf der Biennale für zeitgenössische Kunst in Venedig, der Biennale Schule von Kiew – Kiew, der Pinakothek der Moderne in München, der daad galerie in Berlin, der Transmediale in Berlin, dem Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, der Galerie für Zeitgenossische Kunst in Leipzig, dem Museum für Moderne Kunst in Warschau und der Bonniers konsthall in Stockholm ausgestellt. Er war u.a. Stipendiat der Akademie der Künste in Berlin, Iaspis in Stockholm und Gaude Polonia in Krakau.
http://www.mykolaridnyi.com/
Natalia GUMENYUK ist eine ukrainische Autorin, Dokumentarfilmerin und Journalistin, spezialisiert auf Konfliktberichterstattung, Menschenrechte und Außenpolitik. Sie ist Ko-Gründerin und Leiterin des Public Interest Journalism Lab (PIJL), einer Online-Plattform, die gestartet wurde, um Journalismus im öffentlichen Interesse zu fördern und Polarisierungen zu überwinden. Die Herangehensweise des PIJL kombiniert Sozialforschung und visuelles Storytelling. Seit dem Euromaidan von 2014 und dem Beginn des Krieges in der Ukraine berichtet sie über die Ereignisse im Donbas. Sie ist eine der wenigen Journalist:innen, die regelmäßig auf die besetzte Krim reisen. Im Jahr 2020 veröffentlichte Gumenyuk Die verlorene Insel. Geschichten von der besetzten Krim (dt. Übersetzung, Ibidem Verlag), ein aus Reportagen bestehendes Buch, das auf ihrer sechsjährigen Berichterstattung basiert.
Gumenyuk hat als Reporterin in mehr als 60 Ländern gearbeitet und ist die Autorin des Buches Maidan Tahrir. In Search of a Lost Revolution (2015), das auf ihrer Berichterstattung über den Arabischen Frühling basiert. Gumenyuk ist Mitbegründerin von Hromadske TV und war von 2013 bis 2020 Sonderkorrespondentin für diesen Sender. Sie ist German Marshall Memorial Fund Fellow (2017) und Draper Hill Fellow an der Stanford University (2018).
Alfredo CRAMEROTTI ist Autor, Kurator und Direktor von MOSTYN Contemporary Art Center (Wales, UK) sowie Berater des British Council Visual Arts Acquisition Committee und der Art Institutions of the 21st Century Foundation. Er kuratierte Radio- und Fernsehsendungen in Deutschland und Dänemark, drei nationale Pavillons auf der Biennale in Venedig, die EXPO Film & Video in Chicago und die Biennalen Sequences VII in Reykjavik, Island sowie Manifesta 8, (Murcia, Spanien). Cramerotti ist Vizepräsident der AICA (International Association Art Critics), Präsident Cand. der IKT (International Association Curators Contemporary Art), Co-Vorsitzender der VAGW (Visual Arts Group Wales), Mitglied des Exekutivkomitees von ICOM UK (International Council of Museums) und Mitglied des CIMAM (International Committee for Museums and Collections of Modern Art). Er hat einen PhD in Kommunikationsdesign und Fotografie und hat über 200 Texte über Kunst, Medien und kuratorische Praxis veröffentlicht sowie zu einer Vielzahl von Büchern, Katalogen, Monografien und Online-Zeitschriften beigetragen. Cramerotti ist Chefredakteur der Buchreihe Critical Photography (Intellect Books). Zu seinen eigenen Publikationen gehören Curating the Image: Notebook for a Visual Journey (2020); Forewords: Hyperimages and Hyperimaging (2018); Unmapping the City: Perspectives of Flatness (2010); und Aesthetic Journalism: How to Inform without Informing (2009, erschienen in der Reihe Büchs’n’Books). In den Jahren 2007-08 war Alfredo Fellow im Künstlerhaus Büchsenhausen, wo er an dem Buch Aesthetic Journalism arbeitete.
Veranstaltungsort
Künstlerhaus Büchsenhausen | Streaming auf Zoom und auf Facebook
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