Wissensdramatisierung

Sprechstück, aufgeführt im Rahmen des Kongresses Demokratie am Tableau – ein kontra-produktiver Kongress gegen die Ökonomisierung der Gesellschaft
„ […] Ihr seid hier nicht präsent, ich habe nichts von euch gehört. Ihr habt mir nichts geboten, was ich nicht schon gehört hätte. Ihr habt mir nichts gezeigt, was ich nicht schon gesehen hätte. Ihr sitzt in euren Reihen, ihr bildet eure Muster, ihr wiederholt, ihr spaltet, ihr beseitigt Leben, ihr ersetzt Existenzen, ihr seid die Sprecher einer faschistischen Ordnung, ihr organisiert Deportationen, ihr Nazischweine, ihr Kriegstreiber, ihr Homonationalisten, ihr Schwuchteln, ihr Faschisten, ihr Schleimscheißer, ihr Bestien, ihr queer Transgressiven, ihr Homoliberalen, ihr Handkes, ihr Straches, ihr Fekters, ihr Postkolonialen, ihr Abgefuckten, ihr Gefickten, ihr Fritzls, ihr Österreicher, ihr Nationalen, ihr Theatralen, ihr Dramatischen.

Ihr seid keine Schauspieler, ihr seid abstrakte Symbole, ich befinde mich hier auf einer leeren Probebühne, umgeben von Symbolen des Kolonialismus, Nationalismus und der Homophobie. Sie geben die Struktur meines Vortrages vor. Ich bin ein Sprecher und bin notwendigerweise gespalten. Ich habe über Schauspieler gesprochen, über ihre Beschimpfungen, über ihr Schauspiel, über ihre einstudierten Rollen. Ich befinde mich in einer Sprechposition, weil ich ein Wissen über das Postdramatische und seine Ereignisse besitze. Ich bin körperlich präsent, ich erzeuge mit meiner Stimme und meinen Gesten eine Theatralität, die von ihrer Involviertheit getragen wird. Meine Sprechposition befindet sich in einer Geschichte der kolonialen Beherrschung anderer Bevölkerungen. Ich werde zum Sprecher, ich lerne über mich zu sprechen, ich lerne eine Sprechposition einzunehmen und einen Wissensapparat in Betrieb zu nehmen, ich werde zum Sprecher der postdramatischen Wirklichkeit. Ich bin ein Sprecher der Beschimpfung, ein Teil des schimpfenden Bürgertums.

Ich bin ein gespaltener Sprecher, der mit seiner körperlichen Präsenz, seiner Stimme und seinen Gesten Theatralität erzeugt. Ich werde unsichtbar werden, sie werden von mir nichts mehr hören, weil mein Sprechen an meine körperliche Präsenz gebunden ist, weil es von meinem Sprechen kein Symbol, kein Zeichen, keine Aufnahme, kein Dokument geben wird. Die Struktur dieses Vortrags, die sich zwischen Kolonialismus, Nationalismus und Homophobie bewegt, sieht einen undokumentierten Abgang für jeden vor, der kein Wissen über das Theatrale erlangt. Nach diesem Abgang werde ich auch nicht als Symbol präsent sein, mein Vortrag wird ausgelöscht.

Ich bin ein Schauspieler, ich erzeuge Realität.“
(Auszug aus dem Skript von Ana Hoffner)

Der Kongress wurde von aep – Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft und von der Michael-Gaismair-Gesellschaft veranstaltet.
www.demokratie-tirol.at
www.aep.at
www.gaismair-gesellschaft.at

Ana HOFFNER (*1980 in Jugoslawien) ist Künstler_in, Kulturwissenschaftler_in, Performer_in und Mentor_in, lebt in Wien. Hoffner studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien und arbeitet in den Bereichen queerer und migrantischer/postkolonialer Politik. Ihre Projekte umfassen Ausstellungen, Performances, Lectures und Publikationen im In- und Ausland.
www.anahoffner.com

Veranstaltungsort

Die Bäckerei
Dreiheiligenstraße 21a
6020 Innsbruck