Suzana Milevska

Suzana Milevska, Contentious Objects/Ashamed Subjects, 18.01. - 06.02.2019. Blick in die Ausstellung 'TRACES – Transmitting Contentious Cultural Heritages with the Arts: From Intervention to Co-Production', Horizon 2020. Galleria del Progetto, Politecnico di Milano, Milan. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Politecnico di Milano.

Ethical and Aesthetical Protocols of Apology

Das Projekt Ethical and Aesthetical Protocols of Apology wird sich auf die Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Entschuldigungs- und Umbenennungsprotokolle in Form von performativen künstlerischen Strategien konzentrieren, die sozialen Wandel und Versöhnung anstreben. Folgende dringende Fragen werden dabei in Bezug auf die allgegenwärtig scheiternden Entschuldigungsversuche gestellt: Welche soziopolitische Systeme und rechtliche Strukturen führen dazu, dass Entschuldigungsversuche scheitern? Und wie könnte man den Zustand vergeblicher Entschuldigungsversuche überwinden?

Entschuldigung bzw. Umbenennung sind in der Regel die ersten Schritte, die eine Neudeutung „geerbter“ beschämender Narrative bewirken sollen. Das Hauptanliegen einer Entschuldigung ist es, eine positive Veränderung der Zukunft zu ermöglichen, indem die Vergangenheit durch Erzeugung und Herbeiführung von Reue, Vergebung (aber nicht Vergessen), Versöhnung und Wiedergutmachung überwunden wird. Entschuldigungen zeigen unsere Fähigkeiten auf, jene, die nicht zu unserer Gemeinschaft gehören, zu verstehen. Sie sind somit essentiell für ein gesundes politisches Leben. All diese Faktoren verwickeln die sich entschuldigenden Subjekte in ein komplexes Geflecht performativer und reziproker Beziehungen – denn für eine erfolgreiche Entschuldigung spielen die Adressat:innen die wichtigste Rolle. Daraus ergibt sich die Dringlichkeit, spezifische Protokolle und Strategien der individuellen und kollektiven Entschuldigung im Kontext verschiedener Unterthemen zu erforschen, wie etwa in Bezug auf individuelle und kollektive Scham, Rasse, Geschlecht, Sexualität oder Beeinträchtigung.

Nicht alle Entschuldigungen sind gleich. Manche sind gerade aufgrund der Protokolle produktiver als andere. Daher erleben wir immer wieder, wie Menschen daran scheitern, sich nach einem Fehlverhalten zu entschuldigen, selbst wenn sie kein individuelles Verbrechen begangen haben, aber eine Entschuldigung aus anderen Gründen erwartet wurde (z. B. Respektlosigkeit, Beleidigung oder politische Schuld für ein bestimmtes nationales Fehlverhalten in der Vergangenheit). Das Projekt Ethical and Aesthetical Protocols of Apology wird sich mit erfolgreichen künstlerischen Praktiken rund um die Themen Entschuldigung und Umbenennung befassen und die Besonderheiten ästhetischer bzw. künstlerischer Protokolle und Strategien untersuchen, die zu einer erfolgreichen Herbeiführung soziopolitischen und ethischen Wandels führen konnten. Milevska wird sich mit verschiedenen Beispielen individueller, gesellschaftlicher, aktivistischer und künstlerischer Strategien befassen, wie etwa mit öffentlichen Entschuldigungen von Amtsträger:innen oder Privatpersonen, dem Ersetzen oder Umbenennen von Denkmälern, Straßen, generell öffentlichen Räumen sowie Feiertagen. Die Ergebnisse dieser Investigation werden im Zuge verschiedener öffentlicher Veranstaltungen und Formaten wie Podiumsdiskussionen, Close Reading Seminaren und Workshops vorgestellt.

Suzana Milevska ist Kuratorin und Theoretikerin für Kunst und visuelle Kultur und lebt in Skopje, Nordmazedonien. Ihre theoretischen Forschungsprojekte befassen sich mit postkolonialer und feministischer Institutionskritik an hegemonialen Repräsentationsregimen im Bereich Kunst und visuelle Kultur sowie mit der Dekonstruktion und Dekolonisierung von umstrittenem kulturellen Erbe in Kunstinstitutionen, Sammlungen und öffentlichen Räumen. Ihre kuratorischen Projekte befassen sich mit kollaborativen und partizipatorischen Kunstpraktiken, feministischen Projekten von Künstlerinnen, die sich mit visuellen Mikrogeschichten in historischen und familiären Fotoarchiven befassen sowie mit gemeinschaftsbasierten Projekten in Solidarität mit marginalisierten und entrechteten Gruppen.
2019 kuratierte Milevska die Ausstellung Contentious Objects/Ashamed Subjects an der Polytechnischen Universität Mailand als Principal Investigator von TRACES – Transmitting of Contentious Cultural Heritages with the Arts – From Intervention to Co-production (EU-Programm Horizon 2020, 2016-2019). Von 2013 bis 2015 war sie Stiftungsprofessorin für mittel- und südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Milevska war ein Fulbright Senior Research Scholar (Library of Congress, Washington D.C.). Sie promovierte in Visual Cultures am Goldsmiths College London. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem ALICE Award for Political Curating und dem Igor Zabel Award for Culture and Theory ausgezeichnet. Ihr Forschungs- und Kurationsprojekt The Renaming Machine (2008-2011, Ljubljana, Skopje, Pristina, Zagreb, Wien) befasste sich mit der Politik und Ästhetik der Umbenennung, der Neuschreibung von Geschichte und Erinnerung in der Kunst und im öffentlichen Raum in Süd- und Osteuropa. Im Jahr 2010 initiierte Milevska das Projekt Call the Witness, das sich auf zeitgenössische Roma-Künstler:innen konzentrierte und aus einem partizipativen Online-Roma-Medienarchiv, der Ausstellung Call the Witness (BAK Utrecht) und dem Roma-Pavillon auf der 54. Biennale Venedig (Palazzo Zorzi, Venedig) bestand. Im Jahr 2011 kuratierte sie außerdem das Projekt Roma Protocol, Wiener Festwochen, Österreichisches Parlament, Wien.
Zu Milevskas Veröffentlichungen zählen Gender Difference in the Balkans (VDM Verlag, 2010), und die Hefte The Renaming Machine: The Book (P.A.R.A.SI.T.E. Institute, 2010), On Productive Shame, Reconciliation, and Agency (SternbergPress, 2016) und Inside Out – Critical Discourses concerning Institutions (herausgegeben zusammen mit Alenka Gregorič, 2016).