“Apologoscapes” of Objects, Bodies, and Memories: Materiality and Institutionality of Apology. Part III: “Demounting Louis Agassiz”: Artistic Renegotiation of Archive, Memory & Place

Suzana MILEVSKA (Fellow) im Gespräch mit Sasha HUBER (Künstlerin und Forscherin)

Sasha Huber, Tailoring Freedom, 2021. Metallklammern auf Fotografie auf Holz, 97 x 69 cm. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und Tamara Lanier. Die Arbeit ist derzeit in der Power Plant Contemporary Art Gallery in Toronto ausgestellt, als Teil von Sasha Hubers Einzelausstellung You Name It (bis 01.05.2022).

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Im Rahmen ihres interdisziplinären Forschungsprojekts Ethical and Aesthetical Protocols of Apology lädt Suzana MILEVSKA mehrere Künstler:innen, Theoretiker:innen und Forscher:innen aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsbereichen zu einer Reihe von öffentlichen Vorträgen und schriftlichen Konversationen ein. Milevska und ihre Gäst:innen adressieren dringende Fragen im Hinblick auf systemische und institutionelle Strategien der Entschuldigung, sowie auf ethische Protokolle, die eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Entschuldigung darstellen. Mit sogenannten „Apologoscapes“ und „Memoryscapes“ versucht Milevskas Projekt, verinnerlichte traumatische Erinnerungen, „Postmemory“, und kollektives und öffentliches Vergessen aufzuzeigen.

In der dritten Projektphase werden die institutionalisierten apologetischen sowie nicht-apologetischen Diskurse und Narrative rund um umstrittene Namen, Orte und Körper untersucht. Diesmal geht es um künstlerische Praktiken, Forschungsmethoden und Strategien, die dazu beitragen können, das Bewusstsein für geschehenes Unrecht zu schärfen und künftige Entschuldigungen und Vergebungen zu ermöglichen, indem sie Imperialismus, Kolonisierung, Sklaverei und Rassismus in Frage stellen. Angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen um die Aneignung und den Besitz rassifizierter Bilder und Darstellungen im berühmten Prozess von Tamara K. Lanier gegen die Universität Harvard 2019, bei dem es um den unrechtmäßigen Besitz von Daguerreotypien der versklavten Vorfahren Laniers sowie die daraus erzielten Gewinne ging, wird Milevska Beispiele künstlerischer und sozialer Interventionen in Entschuldigungsdiskurse näher beleuchten – etwa in den künstlerischen Investigationen, den performativen und aktivistischen Protokollen der Umbenennung in den Werken der schweizerisch-haitianischen Künstlerin Sasha HUBER sowie in den Arbeiten des Roma-Künstlers Alfred Ullrich, die das Durchstreichen stereotyper und rassistischer Inschriften anwenden.

Teil III
Sasha HUBER: “Demounting Louis Agassiz”: Artistic Renegotiation of Archive, Memory & Place

In ihrer Präsentation wird Sasha HUBER über ihre künstlerische Forschungstätigkeit im Rahmen der kultur-aktivistischen Kampagne Demounting Louis Agassiz (DLA) sprechen und zeigen, welche Rolle ethische Fragen darin spielen. Die Kampagne wurde 2007 in der Schweiz anlässlich des zweihundertsten Geburtstages von Louis Agassiz (1807-1873) initiiert und setzte sich für eine Umbenennung des Agassizhorn, eines Berges in den Schweizer Alpen, in „Rentyhorn“ ein. Ausstellungen zu Ehren des berühmten Naturforschers haben es immer wieder verabsäumt, sein Leben und Wirken in seiner Gesamtheit zu beleuchten. Der Schwerpunkt lag bisher hauptsächlich auf seinen Verdiensten in der Gletscherkunde, Eiszeittheorie und Ichthyologie. Ziel von Hubers Kampagne war jedoch, das Bewusstsein für die Rassentheorien zu schärfen, die Agassiz bis hin zur Ebene der US-Regierung vertrat, und die ihn zu einem der einflussreichsten Rassisten des 19. Jahrhunderts machten. Als Mitglied des DLA-Ausschusses hat Huber bereits 2008 ihre diesbezügliche Arbeit gestartet und seitdem ein fortlaufendes multidisziplinäres und kollaboratives Gesamtwerk auf der ganzen Welt entwickelt. Das langfristige Projekt befasst sich mit kolonialen Spuren und Erinnerungen aus einer dekolonialen Perspektive und mit der Frage, wie diese Spuren unsere Gegenwart und Zukunft beeinflussen. Zugleich sucht die Künstlerin nach Wegen, die zur Heilung der kolonialen Wunden beitragen.

(Textvorlage: Sasha Huber)

Suzana Milevska ist Kuratorin und Theoretikerin für Kunst und visuelle Kultur und lebt in Skopje, Nordmazedonien. Ihre theoretischen Forschungsprojekte befassen sich mit postkolonialer und feministischer Institutionskritik an hegemonialen Repräsentationsregimen im Bereich Kunst und visuelle Kultur sowie mit der Dekonstruktion und Dekolonisierung von umstrittenem kulturellen Erbe in Kunstinstitutionen, Sammlungen und öffentlichen Räumen. Ihre kuratorischen Projekte befassen sich mit kollaborativen und partizipatorischen Kunstpraktiken, feministischen Projekten von Künstlerinnen, die sich mit visuellen Mikrogeschichten in historischen und familiären Fotoarchiven befassen sowie mit gemeinschaftsbasierten Projekten in Solidarität mit marginalisierten und entrechteten Gruppen.
2019 kuratierte Milevska die Ausstellung Contentious Objects/Ashamed Subjects an der Polytechnischen Universität Mailand als Principal Investigator von TRACES – Transmitting of Contentious Cultural Heritages with the Arts – From Intervention to Co-production (EU-Programm Horizon 2020, 2016-2019). Von 2013 bis 2015 war sie Stiftungsprofessorin für mittel- und südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Milevska war ein Fulbright Senior Research Scholar (Library of Congress, Washington D.C.). Sie promovierte in Visual Cultures am Goldsmiths College London. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem ALICE Award for Political Curating und dem Igor Zabel Award for Culture and Theory ausgezeichnet. Ihr Forschungs- und Kurationsprojekt The Renaming Machine (2008-2011, Ljubljana, Skopje, Pristina, Zagreb, Wien) befasste sich mit der Politik und Ästhetik der Umbenennung, der Neuschreibung von Geschichte und Erinnerung in der Kunst und im öffentlichen Raum in Süd- und Osteuropa. Im Jahr 2010 initiierte Milevska das Projekt Call the Witness, das sich auf zeitgenössische Roma-Künstler:innen konzentrierte und aus einem partizipativen Online-Roma-Medienarchiv, der Ausstellung Call the Witness (BAK Utrecht) und dem Roma-Pavillon auf der 54. Biennale Venedig (Palazzo Zorzi, Venedig) bestand. Im Jahr 2011 kuratierte sie außerdem das Projekt Roma Protocol, Wiener Festwochen, Österreichisches Parlament, Wien.
Zu Milevskas Veröffentlichungen zählen Gender Difference in the Balkans (VDM Verlag, 2010), und die Hefte The Renaming Machine: The Book (P.A.R.A.SI.T.E. Institute, 2010), On Productive Shame, Reconciliation, and Agency (SternbergPress, 2016) und Inside Out – Critical Discourses concerning Institutions (herausgegeben zusammen mit Alenka Gregorič, 2016).

Sasha HUBER (*1975, CH/FI) ist eine in Helsinki lebende, multidisziplinäre bildende Künstlerin und Forscherin mit schweizerisch-haitianischer Herkunft. Hubers Arbeit befasst sich vornehmlich mit Politiken der Erinnerung und Zugehörigkeit, insbesondere in Bezug auf koloniale Hinterlassenschaften in der Umwelt. Einfühlsam gegenüber den subtilen Beziehungen, die Geschichte und Gegenwart miteinander verbinden, interagiert sie im Kontext ihrer vielschichtigen kreativen Praxis, die performative, reparative Interventionen, Video, Fotografie und Kollaborationen umfasst, auf vielfältiger Weise mit Archivmaterialien. Sich ihrer symbolischen Bedeutung als Waffe bewusst, beansprucht Huber die Figur der Druckluft-Klammerpistole als eine Möglichkeit der Neuverhandlung ungleicher Machtdynamiken und setzt sie in Form aufwendiger Kunstwerke um, die sie „pain-things“ nennt. Sie hat einen MA in Visual Culture von der Aalto-Universität in Helsinki und promoviert derzeit an der Zürcher Hochschule der Künste in künstlerischer Forschung. Huber hatte zahlreiche Einzelausstellungen, nahm an Kurzfilmfestivals und Residencies auf der ganzen Welt teil und beteiligte sich an internationalen Gruppenausstellungen wie an der 56. Biennale von Venedig im Jahr 2015. 2021 startete sie unter dem Titel You Name It ihre erste Einzelausstellungstournee. Die Tournee begann im Kunstinstituut Melly in Rotterdam und führt zu weiteren Institutionen wie The Power Plant Contemporary Art Gallery in Toronto, Autograph in London und Turku Art Museum in Finnland. 2018 wurde Huber mit dem State Art Award in der Kategorie Visual Arts des Arts Promotion Center Finland ausgezeichnet.
http://www.sashahuber.com/

Veranstaltungsort

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