Künstler*innenhaus Büchsenhausen
Das Künstler*innenhaus Büchsenhausen ist ein postgraduales Zentrum für Produktion, Forschung und Vermittlung im Bereich der visuellen Künste und der Kunsttheorie. Im Rahmen des hier stattfindenden Fellowship-Programms stellt das Künstler*innenhaus eine Plattform zur Verfügung, die die Entwicklung und die Produktion künstlerischer und kunsttheoretischer Projekte in einem kritischen Kontext ermöglicht. Das Künstler*innenhaus Büchsenhausen bildet gleichzeitig ein Forum für den direkten Austausch zwischen lokal und überregional tätigen Fachleuten – Künstler*innen, Theoretiker*innen, Kritiker*innen und Kurator*innen sowie eine Schnittstelle zu unterschiedlichen Öffentlichkeiten vor Ort. Das Künstler*innenhaus Büchsenhausen ist eine Sektion der Künstler*innen Vereinigung Tirol, der wichtigsten Vereinigung bildender Künstler*innen in der Region.
Räume für künstlerisches Denken und kritische Wissensproduktion
Ein residenz-basiertes Fellowship-Programm, wie es im Künstler*innenhaus Büchsenhausen betrieben wird, stellt einen sinnvollen und effektiven institutionellen Rahmen für eine kritische Praxis dar, da es in ausreichendem Maße einen neutralen Boden bereitstellt und die Autonomie dessen, was auf diesem Boden entwickelt wird, gewährleistet. Einer der wesentlichen Unterschiede zu anderen Institutionen des Kunstbetriebs ist der Umstand, dass eine Residenz den Produktions- und den Repräsentationskontext nicht nur unter einem Dach vereint, sondern vielmehr diese institutionell miteinander verschmelzen lässt. Diese kontextuelle Koextensivität ist einer Residenz systemeigen. Dies bedeutet, dass die Recherche-, Produktions- und Reflexionsprozesse selbst generell zum Gegenstand von Repräsentationsfragen werden, wodurch die Kunst- und kunstbezogene Produktion (Theorie) andere Repräsentationsformen erfahren und bedingen als im kanonisierten White Cube. Eine Residenz bietet darüber hinaus Künstler*innen und Theoretiker*innen Zeit und Mittel auf Zeit an. Dies führt tendenziell dazu, dass die der Produktion vorausgehende Recherche eine zentrale – wenn auch nicht unbedingt exklusive – Position im Spektrum der Tätigkeiten während einer Residenz einnimmt. Berücksichtigt man die vielfältigen Praktiken der Wissensaneignung und -verarbeitung in diesem Kontext, so lässt sich ohne Zweifel feststellen, dass die Recherche ein weiteres Feld bezeichnet, das sich während einer Residenz koextensiv zu Produktion und Repräsentation verhält. Darüber hinaus spielen zeitliche Begrenzung und Vorläufigkeit in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren sind jeder Residenz eigen. Als Rahmen bedingende Parameter beeinflussen sie entscheidend nicht nur die Handlungsstrategien der Teilnehmer*innen selbst, sondern ermöglichen damit einhergehend auch institutionelle Selbstkritik. Die unter solchen Bedingungen stattfindenden künstlerischen Gestaltungs- und Reflexionsprozesse bestimmen ihrerseits die Repräsentationsformen der Kunst und ihrer Diskurse, die in diesem Fall als heterogen, fragmentiert und transitorisch erscheinen. Aus diesem Grund habe ich in Büchsenhausen vorwiegend diskursive und performative Repräsentationsformate für künstlerische Praktiken in diesem Kontext vorgeschlagen. Diese Formate wirken zwangsweise unabgeschlossen und transitorisch, da sie selbst eine Momentaufnahme widerspiegeln – den Stand der Dinge zum jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens. Darin liegt aber auch ihre Stärke, denn durch die prozessbedingte Offenheit sprechen sie ein mündiges Publikum an, das an dem Prozess selbst potenziell partizipieren könnte. Sie eröffnen damit die Möglichkeit einer Verrückung im Sinne eines Sich-Annäherns der Positionen, aus denen Beteiligte und Nicht-Beteiligte, Betroffene und Adressierbare jeweils sprechen. Das dadurch produzierte Wissen ist gleichzeitig ein inhärenter Akt der Subjektivierung. Darin unterscheidet sich dieses Wissen grundlegend von einem akademisch aufbereiteten Wissen, das sich auf Grund seiner normierten und normativen Beschaffenheit leicht ideologisch oder ökonomisch fremdinstrumentalisieren lässt.
Andrei Siclodi
Programmleiter
Fellowship-Programm für Kunst und Theorie im Künstler*innenhaus Büchsenhausen