Doppelprojektion Casablanca
Das Kollektiv Remember Resistance interessierte sich für die Hintergründe des Filmklassikers Casablanca und nahm dessen Schauplatz genauer in den Blick, indem es ihn als „Knotenpunkt der Migration“ sowohl im Faschismus als auch in der Gegenwart und als Projektionsfläche mannigfaltiger Fantasien betrachtete. In Casablanca wird etwa Humphrey Bogarts Rolle des aus den USA nach Marokko abgewanderten kleinkriminellen Caféhaus-Besitzers Rick historisch ausgemalt: Er war zuvor Widerstandskämpfer im spanischen Bürgerkrieg und antikolonialer Waffenhändler für Äthiopien im Kampf gegen Italien.
Der Spielfilm Casablanca ist historisch verortet in der nordmarokkanischen Hafenstadt Tanger als Transitzone zwischen (Nazi-)Europa, den noch nicht besetzten Teilen Portugals und den USA als Fluchtpunkt für europäische MigrantInnen. Nach dem Erfolg des Hollywood-Remakes Algiers klang den Werbestrategen der Warner-Studios der Filmtitel „Casablanca“ attraktiver als „Tanger“.
Auf der Filmklappe der vom Staat kontrollierten Kriegsproduktion steht noch „Casa Blanca“, also „Weißes Haus“ – eine Verkopplung der hell gestrichenen Hausfassaden in Nordafrika mit dem US-Regierungssitz in Washington. Letztlich wurde der Film – bis auf wenige Außenaufnahmen auf einem Luftwaffenstützpunkt – in den Warner-Studios in Los Angeles gedreht. Die Vorbild gebende Stadt Casablanca heißt seit ihrer Entkolonialisierung in Wirklichkeit Dar-el-Beida. Casablanca ist somit eine vielfache Projektion – der Film erinnert daran, dass der Zweite Weltkrieg nicht zuletzt in der kolonisierten Welt stattfand.
Remember Resistance (Jochen Becker, Julien Enoka-Ayemba, Sonja Hohenbild, Brigitta Kuster)
Brigitta KUSTER lebt als Künstlerin, Video-/Filmemacherin und Autorin in Berlin. Ihre Arbeit fokussiert auf Themen wie die Repräsentation von Arbeit, Gender und sexueller Identität, (städtischen) Raum, Migration, Transnationalität und (Post-)Kolonialismus.
Veranstaltungsort
Künstler*innenhaus Büchsenhausen