Produktive Anordnungen
Kevin Dooley, Marcel Hiller, Dominique Hurth, David Rych
kuratiert von Andrei Siclodi
Ausstellung, 09.11.2012 – 24.01.2013
Ausstellungseröffnung im Rahmen der Premierentage 2012
Was bedeutet es, jenseits ökonomischer Normen produktiv zu sein? Wie kann sich „Produktivität“ manifestieren, wenn künstlerische Praktiken nicht dem Ergebnis, sondern vor allem dem Prozess ihre Hauptaufmerksamkeit widmen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich im weitesten Sinn die vier Fellows im Künstlerhaus Büchsenhausen Kevin Dooley, Marcel Hiller, Dominique Hurth und David Rych in ihren jeweiligen Projekten. Es geht darin um neue produktive Möglichkeiten der Selbstorganisation (Kevin Dooley), die Reflexion kollektiver Praxis (Marcel Hiller), das Schreiben als Ausstellung (Dominique Hurth) sowie Inszenierung und Dokumentarismus (David Rych).
Die KünstlerInnen zeigten in der Ausstellung Produktive Anordnungen jeweils eine aktuelle Arbeit, die im Zusammenhang mit ihrem jeweiligen Projekt in Büchsenhausen steht. Darüber hinaus war eine Dokumentation der Präsentationen im Rahmen der Start Up Lectures 2012/13 zu sehen.
Marcel Hiller zeigte ein Video, das gewissermaßen als Nebenprodukt einer Ausstellung der Magicgruppe Kulturobjekt entstanden war. In cleaning ist eine männliche Person (ein Mitglied der KünstlerInnengruppe) zu sehen, wie sie den Boden inmitten einer Ausstellungssituation saugt. Der konzentrierte Akt notwendiger Reinigung irritiert zunächst durch die Brechung gängiger Klischees der Rollenzu- und aufteilung. Darüber hinaus verweist die Szenerie auf den aufräumenden Reflexionsprozess über die kollektive Praxis der Gruppe, der im Laufe des Stipendienjahres 2012/13 in Büchsenhausen vonstatten gehen sollte.
Kevin Dooley zeigte eine Materialsammlung, die frühere (kollektive) Arbeiten mit gegenwärtigen Fragen verbindet und so den Stand der Auseinandersetzung vergegenwärtigen sollte: zwei kollektive Zeichnungen der Nomanden-Gruppe (How To Survive the University, Schularbeit), den sog. Hexendiary (gemeinsam mit Barbara Wilding und Ruth Weismann) im Format einer Zine und die Transkription seiner Präsentation Who I Am and What I Hate – Therapy Session – A Social Factory Worker’s Inquiry.
Dominique Hurth unterzog die Bilder aus ihrem Buch language in the darkness of the world through inverse images einer Rekonfiguration. Das Buch ist eine Montage von Bildern, die Hurth im Laufe der Jahre gesammelt und zum Teil als Quell- oder Referenzmaterial für ihre skulpturalen Arbeiten, Texte und Installationen verwendet hatte. Als zweifache Diaprojektion wurden die physikalische Manifestation des Umblätterns sowie die Technik der Bildbearbeitung in eine eigene, vom Medium bedingte Narration übersetzt. Das Rattern der Projektoren rhytmisierte dabei akustisch die Bildabfolge, die unter anderem auch die Montage selbst zum Thema machte.
David Rych zeigte schließlich die Videoinstallation Encounter (Encuentro), die 2010 in Murcia, Spanien im Rahmen der Manifesta 8 entstand. Die darin betonte Prozesshaftigkeit sowie die Arbeit mit Gruppen bilden Verweise auf das Projekt Border Act, das im Rahmen des Feollowships in Büchsenhausen realisiert werden sollte. Encounter (Encuentro) war das Ergebnis von zwei Workshops, die der Künstler mit männlichen Insassen aus jeweils zwei unterschiedlichen Gefängnissen in Murcia, die sich in Sichtweite voneinander entfernt befinden, abhielt: der Justizanstalt Sangonera la Verde, wo langjährige Haftstrafen verbüßt werden und der geschlossenen Jugenderziehungsanstalt Las Moreras. Der Titel der Arbeit leitet sich von einem Aufeinandertreffen der beiden teilnehmenden Gruppen ab. Die filmische Dokumentation folgte der Begegnung der Männer in einem dafür bereitgestellten Raum. Dabei wurde das Feld weitgehend den Protagonisten überlassen.
Während der Begegnung konnten die Insassen, die über Jahre als Mitglieder einer Parallelgesellschaft eigenen Hierarchien unterworfen sind und ein Wissen um mehrjährige Isolation besitzen, ihre empirische Erfahrung, aber auch Direktiven an die Jugendlichen weitergeben – als eine vermeidbare Perspektive auf reale Verhältnisse, sofern diese selbst jemals in eine Justizvollzugsanstalt für erwachsene Straftäter kommen sollten.
Kevin DOOLEY (*1983 in Hastings/UK) lebt und versucht in Wien zu arbeiten. Er hat Schulden in der Höhe von £ 12.500 (Stand Juli 2013). Dooley verbringt viel Zeit in den Büros des Arbeitsmarktservices. Seine Arbeit an dem Projekt Art Workers Inquiry, Part II: Spectres im Künstlerhaus Büchsenhausen fühlte sich wie Ferien von Arbeitslosigkeit mit niederem Einkommen an. Nach dem Besuch eines politischen Therapeuten beschloss er, polygamer zu werden und seine Konzentration mehr den Bemühungen um gewerkschaftliches Zusammenkommen als einer Form therapeutischer Ermächtigung zu widmen.
Marcel HILLER (*1982 in Potsdam-Babelsberg/D) lebt in Aachen. Studium an der Akademie der bildenden Künste Münster, Abschluss 2008. Fine Art Researcher an der Jan van Eyck Academie in Maastricht (2010/11). Gründer von CLUB 69 in Münster (2008) und der Magicgruppe Kulturobjekt (2010). Einzelausstellungen (Auswahl): der Makler, Georg Kolbe Museum Berlin, und DESAGA, Galerie Desaga, Köln (beide 2012). Ausstellungen mit der Magicgruppe Kulturobjekt im Ludwigforum Aachen, Extra City Antwerpen, Kunstverein Nürnberg, Lothringer13_Laden München (alle 2012).
www.marcelhiller.de
Dominique HURTH (*1985 in Colmar/FR) lebt in Berlin. Studium an der Saint Martin’s School of Art, London (BA 2005), an der Universität der Künste Berlin (Kunst im Kontext, MA 2007) und an der École Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris (MA Visual Arts 2009). Fine Art Researcher an der Jan van Eyck Academie in Maastricht (2010/11). Ausstellungen (Auswahl): procreated by husband, put on ice by scientists, aroused by wife, Clockwork Gallery, Berlin (solo, 2013), Blackout, Look 13, Liverpool International Photography Festival, Liverpool (2013), le périmètre interne, Institut Français, Barcelona, La Triennale – Intense Proximity, kuratiert von Okwui Enwezor, Palais de Tokyo Paris (2012), … aber wir sind der Sprache scheißegal, Archive Books Berlin (gemeinsam mit Scriptings, Achim Lengerer, 2012).
www.dominiquehurth.com
David RYCH (*1975 in Innsbruck) lebt in Berlin. Studium an der Universität Innsbruck (1993–95), an der Akademie der bildenden Künste in Wien (1995–2001) und an der Bezael Universität in Jerusalem (1999–2000). Postgraduate-Studium an der École Supérieure des Beaux-Arts in Marseille (2004/05). Teilnehmer an der Manifesta 8 (2010/11) und der Berlin Biennale (2012).
www.parakanal.com/rych
Veranstaltungsort
Künstler*innenhaus Büchsenhausen