Judith Fischer & Claudia Hardi: transmission

Ausstellung, Kunstpavillon, 11.01. – 03.02.2006
Künstlerinnengespräch, Kunstpavillon, 11.01.2006

transmission: uebertragung (u. a. bewegungsenergie, wellen, impulse, waermemengen, infektionen, viren), transfer, transit, hinueberschicken, kontinuierliche verbindung.

Die Ausstellung zeigte sowohl gemeinsame als auch individuelle Arbeiten von Judith Fischer & Claudia Hardi. Der gemeinsame Beitrag bezog sich direkt auf die skriptische Rauminszenierung Predatory Information Sequences. New Games New Players – Sequence 1: The Shining, die die Künstlerinnen im Juni 2005 in Büchsenhausen realisiert hatten: Die Holzstruktur, die in Büchsenhausen mit einer dünnen Papierhaut umspannt war und einen Raum im Raum bildete, wurde im Kunstpavillon als Raster auf den Boden gelegt; eine Reihe von handgedruckten T-Shirts – ebenfalls in Anlehnung an Predatory Information Sequences gestaltet – wurde kreisförmig auf dem Boden ausgelegt. Beide Elemente bildeten ein grafisches Denkraster, das als symbolisches Verbindungsglied zwischen den unterschiedlichen Solo-Arbeiten von Judith Fischer und Claudia Hardi fungierte.

Beiträge von Judith Fischer:

Haunted House, fotografische Installation, ca. 60 Fotografien, 20 x 30 cm, visuelle Recherche 2004–06

Judith Fischer schreibt zu dieser Arbeit: „Die Frage nach in Gebäuden gespeicherten residualen Energien, die sich kommunizieren (können), fasziniert mich schon seit einigen Jahren. Es geht um Bereiche, in denen Fakt und Fiktion, Eigen- und Fremdmaterial, Film und Literatur zusammentreffen und sich vermischen. Es geht auch um medialen Transfer und Generationen – damit auch um den Status des (analogen) visuellen Materials, mit dem ich arbeite.“

Remember, Skulptur, 2005

Das skulpturale Lampenobjekt nimmt Bezug auf einen (eher unbekannten) britischen Horrorfilm aus den siebziger Jahren: The Tower of Evil aka Snape Island. Die Lampe ist ein nachgebauter Prop, ein Requisit aus diesem Film. Diese Lampe wird im Film als „pseudowissenschaftliche Hypnosemaschine“ und „Antitraumatisierungsapparatur“ eingesetzt.

Hotel Paradiso, Video, 2006, 10:43 Min.

Zur Eröffnung wurde der Kurzfilm Hotel Paradiso gezeigt. Judith Fischer zu dieser Arbeit: „Ich habe im Südtiroler Martelltal auf 16mm-Film-Material gedreht. Dort errichtete der italienische Architekt Gio Ponti auf 2.160 Metern Seehöhe Mitte der 1930er-Jahre ein Hotel, das nun seit Jahrzehnten vor sich hin verfällt. Gabriele Reiterer schrieb dazu 1998 in der NZZ von „einem kolonialistischen Akt“ und dass dieses Hotel den Einwohnern des Tales als „monumentales Zeichen der (faschistischen, Anm. Judith Fischer) Okkupation“ galt. Ab 1943 okkupierten dann die deutsche Wehrmacht und die SS das Gebäude. Seither hat es oft die Besitzer gewechselt und auch seine Fassadenfarbe von hellgrün auf „rosso veneziano“. Das auf Umkehrfilm gedrehte, tendenziell über- oder unterbelichtete Material, hat eine eigenartige spukhafte Qualität. Verstärkt wird dies durch den Sound der taiwanesischen electronic-improvised music der Soundkünstlerin Pei.

In der Ausstellung wurden einzelne Kader aus Hotel Paradiso als Fotografien gezeigt.

Beitrag von Claudia Hardi:

As We May Think, Datenbank/Enzyklopädie 2004–06, Installation

As We May Think (AWMT) ist der Titel einer wissenschaftlichen Publikation, geschrieben vom Computerpionier Vannevar Bush (1890–1974). Bush war eine Schlüsselfigur in der Entwicklung des Hypertexts. Seine Vorstellung vom „Memex“-System (Memory Extender) stellte zum ersten Mal die Idee eines einfach zugänglichen und individuell konfigurierbaren Archivs des Wissens vor. „Memex“ wird von Bush beschrieben als eine theoretische Maschine, die das menschliche Gedächtnis erweitert und dem Nutzer erlaubt, Dokumente aufzubewahren und nach Assoziationen verbunden wieder zu finden. Diese assoziativen Verknüpfungen waren dem heute bekannten Hypertext sehr ähnlich. Vannevar Bush konnte jedoch die Entwicklung des Internets nicht mehr erleben. Er starb vor dessen Entstehung.

Die AWMTDatenbank ist eine Sammlung von Daten wie Webseiten, Texten und Bildern, die auf Referenzen aus dem Jargon File 4.3.1 basieren. Diese Referenzen sind Personen, Bücher, Comics, Filme, TV-Shows, Filme, Logos und Orte. Die Database umfasst ca. 240 Mappen, von denen jeweils eine Mappe Material zu einer Referenz beinhaltet. Das gesammelte Material ist in einem Informationsverwalter – einer „Freeform Database Software“ – genannt Devon Think archiviert.

Das Jargon File ist ein Hacker-Lexikon. Es ist eine Sammlung von umgangssprachlichen Ausdrücken, die von verschiedenen Subkulturen der Computer-Hacker verwendet werden. Die hauptsächlichen Themen in diesem Lexikon sind: Programmieren, Computerwissenschaften, Elektronik und andere Gebiete, die im Zusammenhang mit der Hackerkultur stehen, sowie z. B. Science Fiction, Comics, Computerspiele und Filme. Das Jargon File ist in der öffentlichen Domain unter www.catb.org/jargon zu finden und kann frei genutzt, geteilt und verbessert werden. Dieses Lexikon war Ausgangspunkt von Claudia Hardis intensiver Internetrecherche nach allen Referenzen, die die Entwicklungen der ersten Phase und die hinter dem Internet stehende Philosophie lose beschreiben. Die AWMTDatenbank ist eine Neuschreibung aus existierendem Material, basierend auf Assoziationen dieser Recherche.

Im Zeitraum von März 2004 bis März 2005 entwickelte Claudia Hardi die konzeptionelle Struktur dieser Datenbank, die dann in einer Lesung und einem darauf folgenden Workshop mit Installation präsentiert wurde. Der Workshop und die dazugehörende Installation waren ein Inventar an Geschichten, weshalb sie auch als umfassendes Dokumentationsprojekt und Katalogsystem gesehen werden können, das in Form dieser Installation im Kunstpavillon veröffentlicht wurde. AWMT wurde demzufolge als Work in progress konzipiert, das es erlaubte, Datenbank-Kontext und -Inhalt fortzusetzen, zu bearbeiten und zu modifizieren.

www.awmt.net

www.awmt.info

Der Beitrag von Claudia Hardi in der Ausstellung transmission wurde von Ho&Ruck Gebrauchtmöbel unterstützt.

Judith Fischer (*1967 in Hallstatt/A) Autorin und Künstlerin, arbeitet konzeptuell und künstlerisch im Feld und im Kontext von Literatur, Philosophie, (Horror-)Film, Theorie und visueller Kunst. Postgraduate Studies an der Jan van Eyck Academie in Maastricht und am Bauhaus Kolleg, Dessau. Publikationen und Projekte u. a. Vampiric, 2002; I saw her. I saw her, 2003; Predator & Prey, 2004. Film: Dark.Reading, 2005, SOME – Women Hauses Phantoms 2000–2010, 2010.

Claudia Hardi (*1969, St. Gallen/CH) arbeitete zu jener Zeit als Computerkünstlerin, Informationsdesignerin und Internet-Researcherin in Maastricht. In ihrer Arbeit untersucht sie die Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Geschichte der Popkultur, der Computerwissenschaften und der Comic- und Gamekultur. Studium des Städtebaus, der bildenden Kunst und der neuen Medien. Projekte: As We May Think Database, 2004/05; Dream Machines, 2005.

www.awmt.info
www.malloryneelyhouse.net

Veranstaltungsort

Kunstpavillon
Rennweg 8a
A-6020 Innsbruck

+43 512 58 11 33
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