After Kümmernis: The Intersections of Struggle, Liberation and Movements Born of Grief
Sam RICHARDSON (Fellow) im Gespräch mit lokalen Aktivist:innen, Künstler:innen und Denker:innen über Geschlecht, Identität, historische Auslöschung und Zukunftsmöglichkeiten
After Kümmernis bezieht sich auf das Erbe der in Vergessenheit geratenen Heiligen Kümmernis, die vor Jahrhunderten eine große Anhänger:innenschaft und Präsenz in der Tiroler Region hatte. St. Kümmernis – eine bärtige Frau – wurde zur Schutzpatronin von Frauen, die sich von gewalttätigen Ehemännern oder Situationen im häuslichen Umfeld befreien wollen, sowie von Überlebenden sexueller Übergriffe, Vergewaltigungen und Inzest. Sie wurde aber auch von Unfreien verehrt, also von Häftlingen und anderen Menschen in Gefangenschaft. Je nach Region und Epoche kennt man sie unter anderen Namen, wie St. Kümmernis (Deutschland, Österreich), St. Uncumber (England) und St. Liberata (Italien).
Im Zuge einer liturgischen Säuberung wurde die Heilige Wilgefortis 1969 aus dem katholischen Kalender gestrichen. Viele in der Kirche sahen in ihr eine Verunglimpfung Christi – einen nicht-binären Körper, der Christus ähnelte und somit dessen Darstellung durch die Assoziation mit Queerness negativ beeinflusste. Sie aus dem Kalender zu streichen bedeutet eine Ausradierung einer Geschichte geschlechtsspezifischer Gewalt. Wenn die Person, zu der man um Befreiung betet, als illegitim dargestellt wird, dann wird auch die Realität bzw. die Geschichte der Gewalt gefälscht.
Mit Blick auf diese Historie wird die Veranstaltung Menschen zusammenführen, die in der Innsbrucker Community arbeiten und sich mit Themen rund um das Erbe der Heiligen Kümmernis beschäftigen. Wie beeinflußt die Geschichte einer Kulturlandschaft deren Gegenwart – sei sie durch Konflikte, Gewalt, Ungerechtigkeit oder sogar Freude geprägt? Warum gehen wir weiterhin unserer Arbeit nach, kämpfen die Kämpfe, die wir führen, und lieben, wie wir lieben? Wie sind diese verschiedenen Erfahrungen miteinander verflochten, und wie setzen wir uns gemeinsam für sie und für uns selbst ein?
Julia Scolati von iBUS, Innsbrucker Beratung und Unterstützung von Sexarbeiter*innen, wird über die Arbeit in der Tiroler Sexarbeiter:innen-Community berichten – eine historisch marginalisierte Gemeinschaft, die, basierend auf Moralvorstellungen und Geschlechterungleichheiten, Gewalt erfuhren und erfahren sowie ausgegrenzt werden. Vertreter:innen des monatlichen Jour Fixe „Fear the Queer“ werden über ihre Community-Treffen, radikale Queerness in Innsbruck und darüber, warum es immer noch wichtig ist, queere Räume zu schaffen, sprechen. Abschließend wird Gina Disobey von der Initiative Bürglkopf schließen über die Asylbedingungen in Tirol und ihre Arbeit zur Unterstützung derjenigen, die in diesem extrem isolierten Asylzentrum untergebracht sind, berichten. Darüber hinaus werden Nina Tabassomi, Leiterin des TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol, und ein Mitglied des Feministischen Aktionskollektivs (FAK) anwesend sein. Alle Teilnehmer:innen werden in einer kurzen Präsentation ihre Arbeit vorstellen und darlegen, warum sie sich engagieren.
Die anschließende Diskussion soll einen Dialog in Gang setzen, das Bewusstsein für verschiedene Projekte schärfen und Überschneidungen verschiedener Bewegungen und Konflikte, die es heute gibt und im Laufe der Geschichte gegeben hat, unterstreichen. Wir werden auch der Frage nachgehen, wie verschiedene Zukunftsvisionen von möglichen Realitäten aussehen und sich anfühlen könnten, und was aus dem Erbe der Kümmernis wachsen kann.
Die Veranstaltung findet im Kontext der künstlerischen Investigation A Saintly Curse Continued: The Legacy of What is Seen and Unseen von Sam RICHARDSON statt.
ZUGANGSINFO:
Das Künstlerhaus Büchsenhausen ist – leider! – nicht rollstuhlgerecht zugänglich.
Auf der Etage des Veranstaltungsraums stehen geschlechtsneutrale Toiletten zur Verfügung.
FFP2-Masken werden während der gesamten Veranstaltung getragen und es wird empfohlen, Abstand zu halten.
Es gibt keine Übersetzung in Gebärdensprache, aber alle Videos und Medien werden mit Untertiteln versehen.
Bitte verzichten Sie auf den übermäßigen Gebrauch von Duftstoffen, um eine von chemischen Stoffen möglichst freie Luftumgebung zu schaffen.
Sam Richardson ist ein:e interdisziplinäre:r Künstler:in, die:der in Los Angeles/Kalifornien in den Bereichen Fotografie, Video, Sound und Schreiben arbeitet. Als visuelle:r Künstler:in, die:der mit dokumentarischen Mitteln arbeitet, strebt Richardson danach, zu verlernen, alte Wege aufzubrechen und neue zu finden, um Bilder zu schaffen, die Kollaborationen und fotografische Beziehungen im Kontext von Körper, Trauma und Fürsorge hinterfragen. Sie* nutzt ihre* Erfahrung als Krisenberater:in für (Katastrophen-)Überlebende in New York und Los Angeles, Abolitionismus und persönliche Geschichte, um ihre* Arbeit mit einer Praxis der Fürsorge und der Erforschung persönlicher sowie gemeinsamer Erfahrungen zu verbinden.
Im Jahr 2020 schloss Richardson das Studium der Fotografie am MFA-Programm der UCLA ab, wo sie* auch als Assistent:in tätig war, ebenso im Fachbereich Kunsterziehung. Richardsons Ziel in diesem Kontext ist, eine möglichst umfassende und inklusive Form der Kunsterziehung, von der Theorie bis zur Praxis, zu entwickeln. Im Winter 2020-21 war Richardson Artist and Instructor in Residence beim Urbano Project in Boston. Gegenwärtig ist sie* Kommunikationsdirektor:in und Teaching Artist bei Creative Acts. Im Herbst 2021 unterrichtet Richardson einen Grundlagenkurs am California Institute for the Arts sowie einen Fotografiekurs beim Las Fotos Project.
http://samxrichardson.com
Veranstaltungsort
Künstler*innenhaus Büchsenhausen