Gareth Kennedy: Die unbequeme Wissenschaft – Akt II

Gareth Kennedy, 7 Masken: Ethnomusikologe Alfred Quellmalz, geschnitzt von Lukas Troi; Anthropologe Bronislaw Malinowski, geschnitzt von Robert Grießmair; Direktor des Volkskunstmuseums Josef Ringler, geschnitzt von Florian Siegl; Fotograf Arthur Scheler, geschnitzt von Walter Maffei; Irredentist Ettore Tolomei, geschnitzt von Nikolaus Kasal; Leiterin des Volkskunstmuseums Gertrud Pesendorfer, geschnitzt von Martin Egger; Ethnologe Richard Wolfram, geschnitzt von Jakob Oberhollenzer; Alle Bilder: Gareth Kennedy.

Als Abschluss einer einjährigen, einzigartigen Zusammenarbeit mit dem Tiroler Volkskunstmuseum präsentiert das Künstlerhaus Büchsenhausen die Ausstellung Die Unbequeme Wissenschaft–Akt II (The Uncomfortable Science—Act II) von Gareth Kennedy. Ursprünglich für ar/ge Kunst in Bozen entwickelt, erkundet Kennedy darin die schwierige Geschichte der Ethnografie in Süd- und Nordtirol.

Als deutschsprachige Region, die von Italien nach dem Ersten Weltkrieg annektiert wurde, hat Südtirol eine problematische Geschichte im Hinblick auf durch Ideologien beeinträchtigte wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit der Region befassen – sowohl italienische Geografen als auch österreichische Ethnografen schufen Mythen über die Region. Kennedy konzentrierte sich in seiner Arbeit auf die sogenannte Kulturkommission, die vom „SS Ahnenerbe“ zwischen 1940 und 1943 in der Periode der geplanten Umsiedlung der ethnischen deutschen Bevölkerung ins Dritte Reich als Teil der sogenannten ,Option‘ eingerichtet wurde. Im Rahmen der vermutlich umfassendsten Felduntersuchung in der Geschichte der Ethnologie dokumentierte die Kulturkommission erschöpfend die materiellen, linguistischen, volkskundlichen und musikalischen Bräuche dieses sog. „Alpenvolks“. Ihre Kultur sollte erhalten, „gereinigt“ und für sie nach der Umsiedelung in das Tatra-Gebirge, nach Burgund oder in die Krim verfügbar gemacht werden – dabei handelte es sich um eine sogenannte ,wilde Ethnografie‘ durch politisches Diktat.

In der Ausstellung in Innsbruck erweitert Kennedy seine bereits in Südtirol begonnene Auseinandersetzung mit Repräsentationsideologie und Traditionserfindung im Dritten Reich um eine weitere, für Nordtirol relevante Facette: Die Tätigkeit der ehemaligen VolkskunstmuseumsleiterInnen Josef Ringler und Gertraud Pesendorfer zu Zeiten der Kulturkomission. Die künstlerische Annäherung erfolgt auf Grundlage fundierter Archivrecherchen, deren Ergebnisse Kennedy zur Inszenierung eines undogmatischen Diskurses über Instrumentalisierungsformen des Traditionsbegriffs im 20. Jahrhundert einsetzt: Traditionell holzgeschnitzte Masken der NS-Akteure Richard Wolfram (Leiter der Arbeitsgruppe Brauchtum, Volksglaube, Volkstanz in der Südtiroler Kulturkommission des SS-Ahnenerbes) und Alfred Quellmalz (Volksmusikologe), des Irredentisten Ettore Tolomei, des Fotografen Arthur Scheler, des Anthropologen Bronislaw Malinowski und der bereits genannten Ringler und Pesendorfer werden hier gemeinsam mit historischen Dokumenten ihres jeweiligen Wirkens präsentiert. Die performative Installation nimmt selbst die Gestalt einer spekulativen visuellen Anthropologie an und stellt so einen kritischen Bogen in die Gegenwart wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich nach wie vor nicht vollends enttabuisierten Forschungsgegenstand her. Sie interveniert in die permanente Präsentation historischer Stuben, wodurch sie zwangsläufig auch die Sammlungsgeschichte und -politik des Museums in den Fokus rückt.

Gareth Kennedys künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit der sozialen Handelsmacht des Handgefertigten im 21. Jahrhundert; sie generiert „Interessensgemeinschaften“ rund um die Produktion und Performance neuer materieller Kulturen. Die operative Ästhetik des Künstlers basiert auf einem anthropologischen Ansatz: Für seine Arbeiten greift Kennedy auf die besonderen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Geschichten eines Ortes zurück. Zu seiner bisherigen Praxis gehören Arbeiten im öffentlichen Raum, Bildungsprojekte, Ausstellungen, Residencys und Kollaborationen. Gareth Kennedy arbeitet auch mit der Künstlerin Sarah Browne als Kennedy Browne zusammen. Als solche vertraten sie Irland bei der Biennale von Venedig 2009.

www.gkennedy.info
www.kennedybrowne.com

Veranstaltungsort

Tiroler Volkskunstmuseum
Universitätsstraße 2
6020 Innsbruck

Öffnungszeiten:
täglich 9.00-17.00
24. 12.2016, 9.00-16.00
25.12.2016 geschlossen
31.12.2016, 9.00-14.00
01.01.2017 geschlossen

Infos unter
+43 512 594 89 – 510