„Apologoscapes“ of Objects, Bodies, and Memories: Materiality and institutionality of apology. Part II: Aesthetics of Colonial Apology

Suzana MILEVSKA (Fellow) im Gespräch mit Seraphine APPEL (Forscherin)

Digital Natives, 4. - 30. April 2011. Elektronische Werbetafel, Burrard Street Bridge, Vancouver, BC, Kanada. Foto: Mark Curry. (Bild mit freundlicher Genehmigung der Kurator:innen, Lorna Brown und Clint Burnham).

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Im Rahmen ihres interdisziplinären Forschungsprojekts Ethical and Aesthetical Protocols of Apology lädt Suzana Milveska mehrere Künstler:innen, Theoretiker:innen und Forscher:innen aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsbereichen zu einer Reihe von öffentlichen Vorträgen und schriftlichen Konversationen ein. Milevska und ihre Gäst:innen adressieren dringende Fragen im Hinblick auf systemische und institutionelle Strategien der Entschuldigung, auf ethische Protokolle, die eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Entschuldigung darstellen, sowie mit verschiedenen künstlerischen und ästhetischen Strategien, die sich mit Entschuldigungen in unterschiedlichen Kontexten und Formen befassen.

Milevskas Projekt untersucht Möglichkeiten aber auch Grenzen verschiedener soziopolitischer und künstlerischer Protokolle der Entschuldigung, um „Apologoscapes“ und „Memoryscapes“ der Dekolonisierung und des Gegenpatriarchats zu entwerfen. In dieser Projektphase werden verschiedene kulturelle und soziopolitische Phänomene untersucht, die Entschuldigungsdiskurse mit der Verortung von Objekten, Körpern und Erinnerungen verbinden. Dabei werden verschiedene theoretische und künstlerische Forschungsstrategien und Fallstudien betrachtet, die den Diskurs und die Materialität der Entschuldigung einbeziehen und gleichzeitig auf die Dekolonisierung des kollektiven Gedächtnisses, Versöhnung und andere Formen der sozialen, systemischen und institutionellen Transformation abzielen.

Teil II
Seraphine APPEL: Aesthetics of Colonial Apology

In diesem Vortrag wird die Ästhetik des settler colonialism und der politischen Entschuldigung rund um die kanadische Wahrheits- und Versöhnungskommission untersucht. Innerhalb des als Kanada bezeichneten Territoriums wird die anhaltende koloniale Gewalt durch eine nationale Identität des Wohlwollens verschleiert, gefangen zwischen dem fortbestehenden kolonialen Projekt und dessen Anerkennungs-, Entschuldigungs- und Versöhnungspolitik. Gleichzeitig werden die Logiken und Weltanschauungen des Siedler:innenkolonialismus ausdrücklich von den indigenen „Rückforderungsbestrebungen“ durch die Abänderung, Überschreibung und Ablehnung kolonialer Narrative und Ausdrucksformen von Eigentum in Frage gestellt. Das Konzept der „Versöhnung“ selbst ist von kolonialen Ideologien und Rahmenbedingungen geprägt, die von indigenen Ontologien und Epistemologien in Frage gestellt wurden und werden. Angesichts dieser Entschuldigungspolitik kann die institutionelle Anerkennung, Unterstützung und Aneignung dekolonialer Sentiments wie ein Betäubungsmittel wirken. Sie hinterlässt jedoch auch Möglichkeitsräume, und das Festhalten des kanadischen Staates an der (kolonialen) Rechtsstaatlichkeit führt zu aufschlussreichen Streitigkeiten über die Jurisdiktion des Landes.

Dieser Vortrag analysiert die politische Landschaft sowie die Gesetzeslage anhand einer Reihe von Beispielen: anhand der Bilder kolonialer Narrative, die im kanadischen Pass zu finden sind, der Landschaftsästhetik wie etwa der Veränderung der Grassavanen im Okanagan Valley, der kolonialen Inanspruchnahme indigener Kunst und materieller Kultur wie etwa der „Spektakularisierung“ von Totempfählen, der Linguistik der Versöhnung sowie der dekolonialen Rückgewinnung bzw. Änderung von Land und Narrativen durch Kunst und ästhetisches Handeln. Die Präsentation wird auf die Risse in den kolonialen physischen und narrativen Strukturen sowie auf das, was darin wächst, hinweisen.

Teilnehmerinnen:

Suzana Milevska ist Kuratorin und Theoretikerin für Kunst und visuelle Kultur und lebt in Skopje, Nordmazedonien. Ihre theoretischen Forschungsprojekte befassen sich mit postkolonialer und feministischer Institutionskritik an hegemonialen Repräsentationsregimen im Bereich Kunst und visuelle Kultur sowie mit der Dekonstruktion und Dekolonisierung von umstrittenem kulturellen Erbe in Kunstinstitutionen, Sammlungen und öffentlichen Räumen. Ihre kuratorischen Projekte befassen sich mit kollaborativen und partizipatorischen Kunstpraktiken, feministischen Projekten von Künstlerinnen, die sich mit visuellen Mikrogeschichten in historischen und familiären Fotoarchiven befassen sowie mit gemeinschaftsbasierten Projekten in Solidarität mit marginalisierten und entrechteten Gruppen.
2019 kuratierte Milevska die Ausstellung Contentious Objects/Ashamed Subjects an der Polytechnischen Universität Mailand als Principal Investigator von TRACES – Transmitting of Contentious Cultural Heritages with the Arts – From Intervention to Co-production (EU-Programm Horizon 2020, 2016-2019). Von 2013 bis 2015 war sie Stiftungsprofessorin für mittel- und südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Milevska war ein Fulbright Senior Research Scholar (Library of Congress, Washington D.C.). Sie promovierte in Visual Cultures am Goldsmiths College London. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem ALICE Award for Political Curating und dem Igor Zabel Award for Culture and Theory ausgezeichnet. Ihr Forschungs- und Kurationsprojekt The Renaming Machine (2008-2011, Ljubljana, Skopje, Pristina, Zagreb, Wien) befasste sich mit der Politik und Ästhetik der Umbenennung, der Neuschreibung von Geschichte und Erinnerung in der Kunst und im öffentlichen Raum in Süd- und Osteuropa. Im Jahr 2010 initiierte Milevska das Projekt Call the Witness, das sich auf zeitgenössische Roma-Künstler:innen konzentrierte und aus einem partizipativen Online-Roma-Medienarchiv, der Ausstellung Call the Witness (BAK Utrecht) und dem Roma-Pavillon auf der 54. Biennale Venedig (Palazzo Zorzi, Venedig) bestand. Im Jahr 2011 kuratierte sie außerdem das Projekt Roma Protocol, Wiener Festwochen, Österreichisches Parlament, Wien.
Zu Milevskas Veröffentlichungen zählen Gender Difference in the Balkans (VDM Verlag, 2010), und die Hefte The Renaming Machine: The Book (P.A.R.A.SI.T.E. Institute, 2010), On Productive Shame, Reconciliation, and Agency (SternbergPress, 2016) und Inside Out – Critical Discourses concerning Institutions (herausgegeben zusammen mit Alenka Gregorič, 2016).

Seraphine APPEL ist Doctoral Researcher der Philosophie an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Derzeit arbeitet sie an Analysen über die Auswirkungen von Raumästhetik auf Zeitlichkeit und Zeiterfahrung. In ihrer Forschung setzt sie Ästhetik in Beziehung zu dekolonialer Theorie und untersucht, wie koloniale Prozesse und Haltungen durch physische und narrative Manipulationen von Raum und Zeit Stimmungen und Gefühlsstrukturen formen. Als Kanadierin mit europäischen Eltern ist ihre Perspektive, wenn sie über diese Themen spricht, diejenige einer Siedlerin. Ihr philosophisches Projekt ist eine Dekonstruktion der kolonialen Haltungen von Siedler:innen, die in der Untersuchung einer ästhetischen Topologie der Räume und des Verständnisses von Zeit und Geschichte wurzelt. Seraphine Appel lebt gegenwärtig in Paris.

Veranstaltungsort

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