Yara Haskiel

The Aristotle University today, video still

Assembly of Sleepless Matter

On fragmented tombstones of haunted Jewish and Refugee cemeteries in Greece.

Dieses Projekt untersucht das kollektive Gedächtnis, die Trauer und die Grenzkrise Griechenlands nach dessen strenger Sparpolitik. Am Beginn von Assembly of Sleepless Matter stehen der verschwundene jüdische Friedhof in Thessaloniki und der jüngste Flüchtlingsfriedhof in Lesbos, zwei umstrittene Orte, die die Vergangenheit als Abwesenheit in der Gegenwart markieren. Bruchstückhafte Grabsteine als kulturelles Material formen sich zu Informant:innen, während sich neue Friedhöfe entlang der Migrationsrouten ausbreiten. Indem Yara Haskiel nekropolitische Theoriefelder in Kombination mit Migrationspolitik und materialistischer Theorie hinterfragt, stellt sie eine „Umkehr-Frage“: Wie prägt die Post-Austerität das transkulturelle Gedächtnis?

Der zerstörte alte jüdische Friedhof in Thessaloniki, heutiger Standort der Aristoteles-Universität, sowie der so genannte „Flüchtlingsfriedhof“ in der Nähe des Dorfes Kato Tritos in Lesbos sind Orte der Heimsuchung, Schauplätze der verletzlichen Beziehung zwischen Toten und Lebenden.

In Kato Tritos fallen die wiederverwerteten Grabsteine auf – einige haben nur Nummern oder Holzkreuze. Diese Grabstätten führten zu einer Kontroverse im öffentlichen Diskurs in Griechenland, da eine ethische und politische Verantwortung offensichtlich fehlt. Die Friedhöfe stellen die normative Konstruktion von Nation und Identität innerhalb offizieller Erzählungen in Frage. Gleichzeitig sind die Grenze sowie die Differenz und Zugehörigkeit unweigerliche Aspekte der Migrations- und Diasporageschichte.

Assembly of Sleepless Matter spürt einer dialogischen Interaktion zwischen Erinnerungen an die Barbarei und deren zeitlichen, materiellen und affektiven Kontinuitäten bzw. Diskontinuitäten nach. An und zwischen diesen unterschiedlich instituierten Räumen [den Friedhöfen] weisen multiple Stimmen auf die Dringlichkeit hin, in Zeiten von Post-Austerität, von harten Grenzen und einer kontinuierlichen Permutation des strukturellen Rassismus auf ein „Counter-Mapping“ der Trauerkämpfe zu setzen.

Auf ihrer Videopraxis aufbauend, möchte Yara Haskiel in Büchsenhausen eine audio-visuelle Kartographie mit fiktionalen Elementen erstellen, die sowohl in einen mehrkanaligen Videoessay als auch in ihre PhD-in-Practice-Dissertation einfließen wird.

(Textvorlage: Yara Haskiel)

Yara HASKIEL ist Videokünstlerin und Forscherin. Sie studierte Experimentalfilm sowie Kunst und Medienkunst an der Universität der Künste in Berlin und Hamburg bei Hito Steyerl, Heinz Emigholz und Gerd Roscher. Sie erhielt einen Master in Museologie und Kritischer Theorie von der Autonomen Universität Barcelona. 2014-15 nahm sie am Program for Independent Studies (PEI) am Museum für Zeitgenössische Kunst (MACBA) in Barcelona teil. Ihr gemeinschaftliches Ausstellungsprojekt Personal Geographies wurde in Berlin und Belgrad (2016-2018) gezeigt. Im Jahr 2019 wurde ihr Forschungsprojekt Assembly of Sleepless Matter mit dem Künstler-Forschungsstipendium des Senatsreferats für Kultur und Europa, Berlin, ausgezeichnet. Derzeit ist sie Doktorandin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Institute for Visual Cultures am Goldsmiths, London.
Die Zusammenhänge zwischen Erinnerung und Dislokation von kleinen und vergessenen Erzählungen und deren transgenerationellen affektiven Konstellationen sind zentrale Themen in ihrer Arbeit. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Mikropolitiken und deren Prekaritäten. Yara Haskiel experimentiert mit Videotagebüchern, Found Footage und neuen Medien und entwickelt daraus Video-Essays und Multi-Screen-Installationen, die sich der Reflexivität verschreiben.
Ihre Video-Essays wurden ausgestellt und vorgeführt unter anderem in: Goethe-Institut Toronto und Nikosia, Biennale Athen, Galerie àngels barcelona, Kunsthalle am Hamburger Platz, Capacete Athen, Podroom Galerie Belgrad, Contemporary Institute for Art & Thought, Berlin, texture Berlin, Galerie BHVH Stemmer Kopenhagen, Centre de Cultura de Dones Francesca, Barcelona, Monitor Fest Iraklio, Polychoros KET Athen, Dimitria Thessaloniki, Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, Kassler Dokfest, goEast Wiesbaden, Moldoist Internationales Filmfestival Kiew, Festival du Court-Métrage de Clermont-Ferrand, Kampnagel-Theater Hamburg, Ballhaus Naunynstraße, Universität Wien, Alice-Salomon-Universität, Universität Perugia, Universität Thessalien.
https://vimeo.com/haskielproductions