Felix Kalmenson

Trialeti-Petroglyphen aus dem Mesolithikum, Gantiadi, Niederkartlien, 2024. Foto: Felix Kalmenson.

Under the Auspices

Das Forschungsprojekt Under the Auspices beschäftigt sich mit Politiken der Flugrouten in Eurasien. Ausgehend vom Begriff der „Turbulenz“ als tellurische und atmosphärische Kraft wendet sich Under the Auspices dem Himmel zu, um Migrationsströme im internationalen Luftraum zu untersuchen und auf diese Weise die sich verändernden, geopolitischen Auseinandersetzungen auszuloten. Nach dem Abschuss des Ukraine Airlines Flight 752 durch den Iran im Jahr 2020, der Entführung des Ryanair Fluges 4978 im Jahr 2021 und der anhaltenden Großoffensive Russlands gegen die Ukraine wurden die internationalen Luftraumabkommen neu gefasst und die damit einhergehenden Souveränitätsansprüche der einzelnen Länder neu definiert.

Under the Auspices konzentriert sich auf die Art und Weise, wie diese Veränderungen Georgien und seinen Luftraum als entscheidenden Flugkorridor für den nach Westen ausgerichteten Flugverkehr neu gestaltet haben. Im Rahmen dieser Neugestaltung wurde auf die effizienz-orientierte Logik der ‚Großkreise‘1 verzichtet, stattdessen wurden die mäandernden, uralten Flugrouten, die den eurasischen Kontinent in Form des ,Middle Corridor’2 durchziehen, wieder neu etabliert. Indem das Projekt Gerüchte, Mythen und Spekulationen über zeitliche und räumliche Zeiträume hinweg miteinander verwebt, erzählt Under the Auspices die Geschichte der menschlichen (altertümlichen wie zeitgenössischen) Infrastrukturen, die sich mit den Migrationsrouten der Vögel überschneiden. Das Projekt konzentriert sich auf zwei Standorte: die Region Javakheti in Südgeorgien und die Shiraki-Ebene in Südostgeorgien. Diese Regionen werden eingehend kartografiert, um einen Simurgh (Schutzvogel) ‒ sowohl mechanischer wie auch biologischer Art ‒ der himmlischen Bewohner*innen zu ermitteln.

Text: Felix Kalmenson

 

1 Die Großkreisdistanz ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf der Oberfläche einer Kugel. In der Luftfahrt wird damit die effizienteste Flugroute berechnet. Aufgrund der großen Landmasse Russlands war der russische Luftraum oft die kürzeste Route im eurasischen Transitverkehr.

2 Der Mittlere Korridor, auch TITR (Trans-Caspian International Transport Route) genannt, ist eine Handelsroute von Südostasien und China nach Europa über Kasachstan, das Kaspische Meer, Aserbaidschan, Georgien und die Türkei. Sie ist eine Alternative zum Nördlichen Korridor im Norden, der durch Russland führt, und zur Meeresstraße im Süden, die durch den Suezkanal verläuft. Geografisch gesehen ist der Mittlere Korridor die kürzeste Route zwischen Westchina und Europa.

Felix Kalmenson (they) ist ein*e Künstler*in und Filmemacher*in. In deren Praxis arbeitet they mit den Medien Film, Installation, Video und Text. Kalmensons Arbeitsprozess ist vergleichbar mit dem Rhythmus eines Gedichtes, das sich immer in Bewegung befindet. Kalmenson hat auf international ausgestellt, unter anderem im Van Abbemuseum (Eindhoven), in der Villa Arson (Nizza), im M HKA (Antwerpen), im MAC VAL (Vitry-sur-Seine), im Z33 (Hasselt), im Kim? CAC (Riga) sowie in der Nida Art Colony (Nida). Deren Filme waren bei zahlreichen Festivals zu sehen, darunter beim: Mostra São Paulo International Film Festival, Festival du Nouveau Cinéma Montreal, Vancouver International Film Festival, bei Arkipel, Doclisboa, bei der Sharjah Film Platform sowie beim Kasseler Dokfest. Zu den Preisen, mit denen deren Filme ausgezeichnet wurden, zählt der Prix George bei den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur, 2020. In den letzten zehn Jahren hat Kalmenson mit Rouzbeh Akhbari unter dem Namen Pejvak zusammengearbeitet. Die beiden Künstler*innen waren Forschungsstipendiat*innen an der Jan van Eyck Academie (2020‒21) in Maastricht wie auch im M HKA, Antwerpen, und im Van Abbemuseum, Eindhoven, unter der Schirmherrschaft der Konföderation der Kunstinstitutionen und -museen L’Internationale (2021‒22).
www.felixkalmenson.com