Mirjana Radovanović und Miloš Miletić (KURS)

Lessons on Defense
Die Archivforschung Lessons on Defense befasst sich mit spezifischen Aspekten der Entwicklung von Kultur und Kulturpolitik innerhalb der Volksbefreiungsbewegung (PLM) auf dem Territorium Jugoslawiens während des Zweiten Weltkriegs. Die Recherche folgt mehreren Fallstudien und führte bereits zur Veröffentlichung von zwei Büchern. Sie wurde 2016 und 2017 durchgeführt und von der Rosa Luxemburg Stiftung Südosteuropa unterstützt. Während der Fellowship im Künstlerhaus Büchsenhausen möchten wir die bestehende Archivforschung und den entsprechenden, bereits vorhandenen Text in eine künstlerische Arbeit umsetzen. Dies würde uns ermöglichen, die Forschungsergebnisse mit entsprechend relevanten zeitgenössischen Diskursen zu verbinden.
Im Fokus standen dabei Schlüsselphasen der Entwicklung der kulturellen Aktivitäten des PLM sowie antagonistische Positionen seiner Protagonist_innen. Sie verfolgten eine doppelte Zielsetzung: Einerseits wollten wir anhand des Archivmaterials nachvollziehen, wie sich die Partisan_innenkultur in Kriegszeiten entwickeln konnte, andererseits eruieren, warum die kulturelle und künstlerische Praxis für das PLM so wichtig war.
Der slowenische Philosoph Rastko Močnik stellt fest, dass die Partisan_innenkultur die Menschen in einem antifaschistischen Kampf zusammenbrachte und gleichzeitig neue soziale Verhältnisse schuf. Die Partisan_innenbewegung war also nicht nur eine Form von Faschismusbekämpfung. Indem sie neue Verhältnisse ermöglichte, förderte sie in spezifischer Weise eine gesellschaftliche Entwicklung, die inhärent nach einer anderen Stellung von Kultur verlangte.
Bei der Verarbeitung von Archivdaten möchten wir uns während der Fellowship in Büchsenhausen auf Fälle und Prozesse konzentrieren, die mit den heutigen sozialen und politischen Herausforderungen in Verbindung gebracht werden können. Diesbezüglich werden wir historische Praktiken der Avantgarde reflektieren und im Zuge dessen Aspekte ansprechen, die für die heutige europäische Gesellschaft als relevant erscheinen: Welchen Stellenwert kann der revolutionäre Kampf und die revolutionäre Kultur der Volksbefreiungsbewegung heute einnehmen, insbesondere im Kontext des ehemaligen Jugoslawiens, aber auch Europas im Allgemeinen, angesichts des steigenden Zuspruchs, den die extreme Rechte derzeit hier erlebt? Was können wir aus den Erfahrungen bei dem Zusammenschluss der Kulturarbeiter_innen innerhalb der antifaschistischen Bewegung lernen und könnten ihre Modelle heute erneut Geltung erlangen? Können wir die praktischen Erfahrungen jener Zeit in unserem künstlerischen Prozess produktiv anwenden? Und schließlich die unvermeidliche Frage, die unsere Position in der kulturellen und künstlerischen Szene weitgehend bestimmt: Welche Rolle kann Kunst in sozialen und politischen Kämpfen einnehmen?
Text: KURS
Mirjana RADOVANOVIĆ und Miloš MILETIĆ arbeiten gemeinsam an künstlerischen und forschungsbasierten Projekten unter dem Gruppennamen KURS. Darin erkunden sie, wie künstlerische Praxis zu verschiedenen sozialen Bewegungen beitragen und deren integraler Bestandteil werden kann. Ausgangspunkte hierfür sind oftmals Archivmaterialien, die sie mit revolutionärer Poesie und Prosa vermengen und einer Bildsprache progressiver Bewegungen aus der Vergangenheit unterziehen. Daraus entstehen meist Wandmalereien, Illustrationen und verschiedene Drucksachen wie Zeitungen, Poster oder Grafiken. Die so produzierten Inhalte sollten einem didaktischen Impetus folgen und dadurch für die breite Öffentlichkeit zugänglich und nachvollziehbar sein.
Projekte, die KURS in den letzten Jahren realisierte, sind unter anderem: die Recherche Lessons on Defense, die 2016 und 2017 über kulturelle Aktivitäten innerhalb der Volksbefreiungsbewegung durchgeführt wurde; die Wandmalerei Solidarity — to the International Brigades, in Belgrad, die dem 80. Jahrestag der Gründung der Internationalen Brigaden gewidmet wurde; die Wandmalerei Struggle, Knowledge, Equality, in Belgrad, anlässlich des Studententages, die Wandmalerei 20th October, anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung Belgrads; die Wandmalerei Factory to the Workers, in der Itas-Prvomajska Fabrik in Ivanec, Kroation, als Teil des 13. Urban Festivals; ein Aufenthalt in Chile, in der AIR Casa Poli; Teilnahme an dem Persona Non Grata-Programm in Ankara, organisiert vom AsiKeçi Kollektiv; sowie die Wandmalerei What Do We Know About Solidarity während der Qalandiya Biennale 2018 in Palästina.
Im Rahmen des Fellowship Programms für Kunst und Theorie 2019-20 im Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck veröffentlichte KURS das Buch Lessons on Defense: Cultural Activities of the People’s Liberation Movement (2020).